Kurz gemosert... #152

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„Kurz gemosert…“ beschreibt die Welt des Mainstream-Wrestling mit den Augen eines meckernden „Smart Marks“. In unregelmäßigen Abständen spricht Manuel Moser in der wohl umstrittensten Wrestling-Kolumne aller Zeiten Dinge und Tatsachen an, welche sich manch einer vielleicht nicht traut auszusprechen oder die es aus den Tiefen der „Smart Mark“-Fangemeinde nicht an die Öffentlichkeit schaffen. Harte Worte und eventuelle Spoiler inbegriffen.

Guck mal hier… der hält den doch fest!
Als Kind guckt man noch darüber hinweg. Vergleichbar mit der sogenannten „Bodenblindheit“, wenn Kinder ihr Zimmer als aufgeräumt bezeichnen, obwohl der ganze Fußboden noch mit Lego- oder Playmobilspielzeug bedeckt ist, gibt es auch die von mir erfundene „Regelblindheit“.
Dabei geht es nicht darum, dass ein pubertierendes Mädchen nicht einsehen möchte, dass es gerade zur Frau wird, sondern um die sich ständig ändernden Regeln im Pro Wrestling, sowie den Fans die das schlucken und auch noch verteidigen.
Als ich noch ein Kind war, so mit Bret-Hart-Brille, Hulk-Hogan-T-Shirt auf der Hühnerbrust und Ultimate-Warrior-Armbändern um meine Spargel-Tarzan-Arme herum, hab ich das auch so gesehen. Klar Wrestling war damals ja auch noch echt. Show machen die erst heutzutage. Und früher, ja noch viel früher, als die Herren Bob Orton, Bruno Sammartino und Gorilla Monsoon, sowie Stu Hart noch aktiv waren, führten die richtige Kriege! Wenn man diesen senilen Idioten, also denen die noch leben, heute zuhört, könnte man denken, sie wären die UFC-Champions der 60er Jahre gewesen.
Egal, jedenfalls hab ich denen das damals natürlich alles abgenommen. Genauso wie ich an das „Regelbuch der World Wrestling Federation“ geglaubt habe, von dem Carsten Schaefer immer erzählt hat.
Beginnen könnte man mit dem ominösen „Wechselseil“ das bei Tag Team Matches zum Einsatz kommt. Wenn man mich in den WWE-Shows nicht irgendwann einmal penetrant auf dieses Seil hingewiesen hätte, wäre es mir wohl bis heute nicht aufgefallen. Aber Tatsache… Es gibt dieses Seil! Als ich es dann kannte, fiel es mir auch bei älteren Veranstaltungen auf. Der Ringrichter kontrollierte dann immer mal, gerade, wenn er den Verdacht hatte, der draußen befindliche Heel hätte eingegriffen, ob dieser auch brav das Wechselseil festhält. Klar, denkt sich der dämliche 08/15-Ringrichter, wenn der das Seil festhält, dann kann er auch nicht eingegriffen haben. Denn dann müsste er das Wechselseil ja loslassen und das würde er bestimmt nicht tun.
Dieses Seil ging mir seitdem sowas von auf den Sack. Bis heute verstehe ich den Sinn dahinter nicht und sowieso würde jeder gewinnorientierte Konzern solche unwichtigen Dinge abschaffen. Immerhin sind das Material- und Personalkosten, die sich, aufgerechnet auf mehrere Jahre, in Millionenhöhe befinden können. McDonalds mehrere Millionen Euro weil sie nur eine und nicht zwei Gurkenscheiben auf den Burger packen. Denkt mal darüber nach, denn hier geht’s um die Wurst!

Das Wechselseil ist aber tatsächlich nur eine Kleinigkeit. Ist euch schon mal aufgefallen, dass es offenbar im Ermessen des Ringrichters liegt, ob und wann er einen begonnenen 10-Count von neu startet oder eben nicht?
Wir kennen die Situation. Ein Wrestler wirft einen anderen Wrestler während des Matches aus dem Ring. Dafür gibt es eine bettelnde Beschwerde des Ringrichters, er möge das doch bitte unterlassen und seinen Gegner wieder in den Ring holen. Aber Pustekuchen! Wrestler A vermöbelt Wrestler B lieber außerhalb des Rings. Warum auch nicht? Schließlich gibt es dort alle möglichen Tools (TOOLTIME!), die man augenscheinlich einsetzen darf, ohne dafür disqualifiziert zu werden. Dazu zählen der Ringpfosten, die Ringtreppen und natürlich das spanische Kommentatoren Pult. Aber wage es und nimm einen dieser gepolsterten Plastikstühle mit in den Ring! Der Ringrichter zählt währenddessen von eins bis zehn. Kurz vor dem 10-Count rollt sich Wrestler A dann meistens mal kurz in den Ring nur, um diesen daraufhin wieder zu verlassen. Dies hat zur Folge, dass der Ringrichter das Zählen unterbricht, denn er muss ja noch mal daran erinnern, wo das Wrestling-Match stattzufinden hat. Somit beginnt er mit dem Zählen wieder von vorne.
Außer es passt gerade nicht ins Konzept. Dann zählt der Ringrichter durch und keiner weiß genau warum. Ein Grund könnte sein, dass auf dem WWE-Sharepoint unterschiedliche Arbeitsanweisungen abgelegt sind. Ein andere, dass Vince McMahon ein respektloser Idiot ist, für den die WWE-Fans nur hirnlose Zombies mit einem vollen Portemonnaie sind.


Ähnlich verhält es sich mit dem Royal Rumble. Solltet ihr an einer unheilbaren Krankheit leiden, lebenslang im Gefängnis sitzen oder sonst nichts mehr zu verlieren haben, dann schaut euch mal alle Rumbles der WWE-Geschichte an. Im Grunde gelten hier nämlich jedes Jahr neue Regeln und ich rede nicht von den differierenden Zeitabständen oder der Teilnehmerzahl. Ganz zu schweigen davon, dass die Zeitabstände sowieso nie den Tatsachen entsprechen. Stoppt die Zeit zwischen den Entrances mal mit. Ihr werdet überrascht sein.
Mir geht es um aber um andere Dinge.
Denn mal eliminiert sich ein Wrestler selbst, wenn er über das oberste Seil springt, im nächsten Jahr ist es dann wieder vollkommen legitim, wenn Shawn Michaels einen High-Flying-Spot über das oberste Seil nach draußen zeigt. Mal zählt es, wenn ein bereits ausgeschiedener Wrestler, oder einer der gar nicht am Match teilnimmt, jemanden aus dem Ring wirft, und zu anderen Zeiten wieder nicht.
Aber nicht nur das nervt an diesem Gimmick Match. Es gibt wohl kaum eine unnatürlichere Weise, wie die Wrestler in neunzig Prozent der Fälle versuchen jemanden aus dem Ring zu „werfen“. Teilweise halten sie ihre Kontrahenten sogar eher fest als das sie sie raus befördern.
Warum helfen manche Wrestler anderen, wenn diese gerade kurz davor sind, eliminiert zu werden? So viele Piledriver kann man gar nicht eingesteckt haben, um in einem Match in dem jede Eliminierung für alle anderen einen Schritt nach vorne bedeutet so dämlich zu handeln.
Auch wenn „rein zufällig“ jedes Jahr aufs Neue Tag Teams aufeinanderfolgende Nummern ziehen oder plötzlich alleine zusammen im Ring stehen beziehungsweise Tye Dillinger seine ganze Karriere lang immer die Nummer 10 sein wird.
Wenn der Royal Rumble nicht so geil wäre, dann wäre es einer der dämlichsten Gimmick-Matches in der Geschichte des Zirkusgewerbes.

Heutzutage dreht sich sehr viel um das Thema Ergonomie am Arbeitsplatz. Da werden höhenverstellbare Tische angeschafft, Monitorgrößen vorgegeben, ja sogar Bereiche auf dem Schreibtisch definiert wo sich Maus zu Tastatur zu befinden haben.
Im Wrestling gibt es das nicht. Schaut euch nur mal an, wie sich Wrestler backstage Matches anschauen. Die Jungs und Mädels stehen teilweise parallel zum TV-Bildschirm, obwohl direkt davor, wo die Sicht erwiesenermaßen viel besser ist, ausreichend Platz ist. Ich fühle mich in solchen Situationen wirklich in meiner Intelligenz beleidigt. Wer guckt denn so auf einen Fernseher? Wer gibt jemandem solche Anweisungen?

„Hier, stell dich mal so daneben hin und tu so, als ob du das Match verfolgst.“
„So seh ich doch gar nix!?“
„Aber wenn du davor stehst, sehen die Zuschauer nichts, weil du dann mit deinem Presskopf vor dem Bildschirm stehst!“
Auch bei Backstage-Segmenten kann man sich nicht entscheiden, ob die Wrestler nun die Kameras sehen oder nicht. Ob sie wissen, dass sie backstage gefilmt werden oder nicht. Das entscheidet man auch, wie man es gerade braucht und das macht einen dermaßen unprofessionellen Eindruck.
Das ist aber eine typische WWE-Krankheit. Immer so tun, als ob das, was man da tut, real ist, aber teilweise dann doch die unlogischsten und unnormalsten Sachen präsentieren.
Wie man es besser macht, zeigen Promotions wie Lucha Underground. Selbst wenn man wie ich maskierte Wrestler und den Luchs-Stil hasst, weil er nur aus Arm Drags und Headscissors besteht, zieht das Drumherum einen in seinen Bann.
Aber dafür müsste man sich bei WWE nun mal erst entscheiden, was man verkörpern möchte. Ein fiktives Sportevent, das als realistisch verkauft wird, oder eine eigene Welt mit ihren eigenen Regeln, die man dann aber auch deutlich als Fiktion sichtbar machen muss. WWE bewegt sich irgendwo dazwischen und das ist unfreiwillig komisch und gleichzeitig bemitleidenswert und traurig.

Aktuell befindet sich der angeblich wichtigste World Title im Pro Wrestling in den Händen eines Teilzeit-Workers. Für mich persönlich kein Problem, da ich kein Fan davon bin den Champion jede Woche auftreten und Wrestlen zu lassen. Den größten Wert hatten Championships immer dann, wenn der Champion nur bei PPV’s angetreten ist, und sonst nur alle Jubeljahre mal ein Non-Title-Match im TV bestritten hat. Zwischendrin gab es aufgezeichnete Backstage- oder In-Ring-Interviews, um den Champion zu bewerben. Das verlieh dem Champion und dem Gürtel einen gewissen Wert.
Das große Problem mit dem Teilzeit-Champion ist aber, dass für ihn nicht nur die WWE Wellness Policy nicht gilt, sondern so wie es aussieht auch die Klausel, dass jeder Champion seinen Titel mindestens alle 30 Tage verteidigen muss. Wenn es darum geht, jemanden verletzungsbedingt oder wegen „erhöhten Leberwerten“ aus den Shows zu schreiben, wird diese Regel immer wieder aus der Mottenkiste geholt. Ansonsten interessiert es keine Sau ob der Titel zwischen zwei Wrestlemanias nur drei Mal verteidigt wird.

Hat sich WWE mal auf einen Worker als Zugpferd festgelegt, sind sie davon sehr schwer wieder abzubringen. Was logisch ist, denn Gott macht keine Fehler. So versucht man stets gegen jeden Willen des Kunden irgendetwas durchzudrücken, was hinterher dann floppt. Oder andersherum versucht man irgendwen den man nicht als würdig oder fähig sieht, der Kunde aber schon, On-Air bei jeder Gelegenheit zu begraben. Anstatt darauf zu hören was die Leute wollen und ihnen zu glauben für was sie ihr Geld ausgeben wollen, hemmt man sich im Umsatz und Gewinn also unglaublich. Lustigerweise bringt WWE diesen Kardinalsfehler auch noch regelmäßig vor den Kameras in den Storylines. So ziemlich jeder Heel-Champion wird bei WWE von der „Authority“ ausgewählt und nach einem desaströsen Run dann irgendwann durch einen neuen Lackaffen ersetzt. Anstatt sich die Besten für ihr Stable raus zu suchen, nehmen sie also lieber irgendeinen Idioten, der am Ende des Storyline alles andere als ein würdiger Champion war. Und diesen Fehler begehen sie immer und immer wieder.
Aber schön, dass man sich diesem Fehler bei WWE bewusst ist und ihn selbst vor den Kameras persifliert.
 
Ich muss zugeben, ich bin schon ein kleiner Fanboy der Kolumne. Hab bestimmt fast alle gelesen.
Diese Ausgabe fand ich irgendwie anders.....ich weiss nur nicht woran ich das festmachen soll. Vielleicht war sie einfach zu ernst, weil einfach alles 100% Stimmt. Es gab keine Übertreibungen, Sarkasmus ist auch nicht zu erkennen, weil es so alles der Realität entspricht.
Eigentlich schon fast traurig. :( ;D
 
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