Ich war live vor Ort! War meine erste Live-Wrestling-Veranstaltung seit 2012. Ich wollte schon seit Ewigkeiten mal zum lokalen Wrestling und die deutsche Szene etwas supporten, aber irgendwie war alleine gehen nie eine Option - jetzt konnte ich mit einem wrestlingbegeisterten Freund gemeinsam gehen.
Vorweg - die Location ist sehr schön und bietet eine tolle Atmosphäre. Auch wenn es recht klein gehalten ist, wirkt es für Indy-Verhältnisse wirklich professionell, wie das Set Up aufgebaut ist, die Beleuchtung ist stimmig, es gibt sogar einen kleinen Titantron. Ich finde, dass sich das wirklich sehen lassen kann und nicht nach Turnhallen-Wrestling oder Bingo-Halle aussieht. Die Fans sitzen normalerweise recht eng am Ring, wir hatten (weil arm) Stehplätze auf dem Balkon und konnten von dort wahrscheinlich sogar besser sehen. Von den Wrestlern kannte ich eigentlich nur den Axeman, Bad Bones und Fast Time Moodo. Aber man kann sich ja überraschen lassen.
Der Opener enthielt dann direkt eine Matchänderung, weil Crazy Sexy Mike krankheitsbedingt ausfiel. Deshalb durften die Stübings ran, nachdem die Heels mit dem sehr unterhaltsamen Pascal Spalter, der seine Rolle toll spielt, Babyface RONALDO SHAQIRI verprügelten. Ich wiederhole - RONALDO SHAQIRI! Hallooooo? Hat dem niemand gesagt, wie beschissen dieser Ringname ist? Will der damit ernsthaft Karriere machen? Das ist ohne Witz der schlechteste Name, den ich je im Wrestling gehört habe. Dazu hat der Typ glaube ich Kontaktlinsen drin und Tattoos wie ein Samoaner/The Rock. Völlig identitätslose Gestalt, im Ring aber ganz manierlich.
Naja. Das Tag Team Match war nicht besonders gut, aber das erste Live-Erlebnis machte es für mich irgendwie wett. Pascal Spalter war head and shoulders über allen anderen was Skill anbelangte. Der kleinere Stübing-Bruder erwischte einen sehr schlechten Tag und botchte munter einen Spot nach dem anderen, das war schon bitter mit anzusehen, gerade wenn man bedenkt, dass es die Tag Team Champions sind. Das DQ Finish war dann die Rache dafür, dass Ronaldo (dieser Name...) im Vorfeld verprügelt worden war, aber WWE lässt grüßen, was die Booking Qualität angeht. Ein DQ Finish als Opener. Whatever.
Das Konzept der Loserweight Championship finde ich total witzig. Taugt für mich mehr als die 24/7 Championship. Abdul Kenan verkörpert das auch fantastisch, er kam quasi mit einer Null-Bock-Haltung zum Ring und schmiss den Titel frustriert von sich. Das Match taugte dann nicht so viel, mit Orlando Silver kann ich nichts anfangen, der machte zudem auf Super-Babyface, obwohl er der Top-Heel-Faction angehört. Er gewann dann aus dem Nichts, Match war okay.
Das dritte Match ist hier im Bericht falsch reported - Rambo teamte nicht mit Kara, sondern mit Xara Grace und gewann gegen Fast Time Moodo und Kara. Fast Time Moodo kenne ich aus NEW Zeiten, Rambo sieht aus wie ein Mix aus Murat Bosporus und Taz und ist wohl auch schon Veteran. Er und Moodo harmonierten ganz gut, Kara war super over und charismatisch.
Xara Grace war dagegen einfach nur scheiße. Sie lieferte sich mit Kara einen Brawl, der mich entfernt an Jenna Morasca und Sharmell bei Victory Road 2009 erinnerte, zeigte den schlechtesten Spinebuster, den ich je gesehen habe und brauchte beim Bump & Feed einfach viiiiel zu lange zum Aufstehen, sodass Karas Hot Tag im Sande verlief. Quasi jeder Move ein Botch, schlechtes Selling, billiges Gimmick. Brauch ich nicht nochmal sehen, solange sie noch so unfassbar grün ist. Ein gruseliger Spot war dabei, wo Moodo nach einem German direkt auf seinem Kopf landete, er war aber okay. Einen Package Piledriver live zu sehen war für mich auch ein Erlebnis der gruseligeren Art, aber alles ging gut. Wie gesagt, Xara war furchtbar, das Match insgesamt aber sehr over.
- An dieser Stelle wurde eine Pause eingelegt -
Nach der Intermission ging es weiter mit fragwürdigem Booking. Bad Bones und Senza Volto kamen heraus und alle freuten sich auf ein World Title Match, aber dann verkündete Bad Bones, Senza Volto müsse noch ein "Pick Your Poison" Match gewinnen, bevor das Titel Match stattfinden könne. Er habe das ja schon gemacht, jetzt müsse Volto auch. Okay, whatever, Mike D Vecchio kam heraus und es gab ein Bonus Match, I guess. Das war nett und vom Niveau her deutlich über der ersten Hälfte. Es war Face gegen Face und die Blutsbrüder Fans, die insgesamt sehr anstrengend waren und alles liebten was Sulcani, Bad Bones oder Silver taten, buhten Volto aus, hätte für mich nicht sein müssen und kam sehr smarky-pseudocool rüber. Volto ist ein maskierter High-Flyer, falls ihr ihn nicht kennt und sehr athletisch. Hatte tolle Moves in petto und klickte auch ganz gut mit Vecchio, der wiederum aussieht und wrestlet, als hätte man Brock Lesnar einen Kopf kleiner gemacht. Finish kam etwas aus dem Nichts, insgesamt aber trotzdem gut.
Dann fand also trotzdem das World Title Match statt und hier sah man, dass jemand wie Bad Bones halt einfach zehnmal besser ist als die ganzen GWF Teilzeitwrestler oder Rookies. Jeder seiner Moves sah nicht nur gut aus, sondern beschützte auch den Gegner, sein Timing und Selling stimmte, er war ein richtig schöner Bösewicht und auch die erzählte Geschichte ergab Sinn. Tolle High Spots mit Top Rope Action, die ich so auch bei WWE House Shows noch nie live hatte erleben können. Am Ende verlor Volto quasi durch Eingriff und es gab auch einen gebotchten Nearfall, wo der Ref klar bis 3 gezählt hatte und zu spät aus dem Ring gezogen worden war. Ging dann trotzdem weiter und Bad Bones gewann doch noch. Seine Heel Gruppe klatscht trotzdem mit den Blutsbrüder Fans ab, sowas find ich immer kritisch, da ich reine Heels besser und effektiver finde. Er ist jetzt longest reigning Champ der GWF und hat Momentum, um ins Titelmatch mit dem Axeman zu gehen, da hat das Booking mal Sinn gemacht. Aber als Veteran der deutschen Szene finde ich es so oder so schwierig, ihn als Heel zu booken, der Respekt ist ähnlich wie bei Jericho bei den Fans einfach zu groß.
Das Rumble Match war dann okay. Gab ein paar nette Spots und die meisten Teilnehmer hatte man eh schon mindestens einmal gesehen. Für mich war der Ring einfach viel zu voll, als dass da viel gegangen wäre. Der Wrestlingtrainer meiner Begleitung war lustiger Weise auch im Match (Marcus Monere), aber es gab auch einige super grüne Wrestler, die nicht gut aussahen. Besonders "Big Nik" war einfach nur schlecht, aber er ist eben drei Meter groß und drum wird er gepusht. Auch Erkan Sulcani gibt mir gar nichts, denn er ist ein Heel, der mit Babyface Feuer wrestlet und clearly als solches auch effektiver wäre. Sein Moveset besteht primär aus Big Boots und Super Kicks und er durfte hier fast mehr scheinen als der Axeman, welcher aber am meisten over war. Übrigens - am Merchandise Stand lies er durchblicken, dass er nicht vorhabe, in nächster Zeit die deutsche Szene zu verlassen. Für uns ein Gewinn! Er gewann hier natürlich auch das Match und ich bin gespannt auf Axeman gegen Bad Bones. Am Ende gab es kurz Turbulenzen, weil einige besoffene Fans wohl versucht hatten, einen Wrestler am Rausfallen zu hindern und ihn zu tragen. Dann mischte sich der Ringsprecher ein, der die ganze Zeit die Eliminierungen verkündete und drohte mit Matchabbruch. Meine Fresse, reißt euch zusammen, sprecht die Fans persönlich an und macht nicht so ein Drama, das vom eigentlichen Match ablenkt. Das fand ich sehr dünnhäutig.
Fazit: Obwohl kein richtig krasses Match dabei war, ist live Wrestling einfach immer klasse. Ein Besuch bei der GWF lohnt sich meiner Meinung nach immer! Ich hab als Student ermäßigt das Ticket für 17 Euro gekriegt, das ist echt okay. Nur die Getränke vor Ort kosten einfach viel zu viel (7 Euro weil Pfand), das fand ich heftig. Einige Wrestler geben vor und nach der Show dann auch Autogramme und sind am Merch Stand, da gibts keine langen Schlangen und man ist sehr "nah dran". Mein persönlicher Aha-Effekt aus dem Event ist jedoch, dass meine Vorstellung von gutem Wrestling hier wahrscheinlich gar nicht gezündet hätte. Diese Fans hatten merklich einen kurzen Geduldsfaden, da musste Spot nach Spot her, viel Fan-Interaktion, wenig slow paced Matchaufbau, kaum "Story". Vielleicht geht das doch und es hat nur niemand gemacht, aber wenn da jetzt jemand auf Bryan Danielson oder Zack Sabre Junior gemacht hätte, der wäre da meiner Ansicht nach unter gegangen. Weiterhin hat jede Szene so ihre eigenen Regeln. Mein Kumpel und Ich mussten uns erst an die Chants auf Deutsch gewöhnen (Eins, Zwei, Drei und laut ZWEI rufen, wenns einen Kick Out gab). Aber so ist das da nunmal und dann chantet man auch nicht auf Englisch, weil mans "cringe" findet. Das ist der Respekt, mit dem man hinzugehen hat. Also, ich fands insgesamt sehr spaßig und bin sehr froh, dass die deutsche Szene insgesamt gerade recht vital und vielfältig wirkt. Es gibt Promotionen in Thale, Berlin, irgendwo in Hessen, in Nürnberg, in Lübeck, in Göttingen, natürlich in Essen - da kriegt man mittlerweile echt was geboten! Supportet also eure lokale Szene und geht hin.
Wenn jemand aus Berlin kommt und zur nächsten GWF Show will, schreibt mir mal! Ich würd gern mitkommen
