Mogwai
30.06.2009, Bochum, Schauspielhaus
Die Frage nach meiner Lieblingsband ist für mich wie wahrscheinlich für viele andere Menschen auch schwierig zu beantworten, aber meine Antwort wäre wohl Mogwai. Dies wird der erste, aber sicherlich nicht der letzte Beitrag über die Band aus Glasgow sein, von der ich einige wirklich fantaschtische Shows gesehen habe. Darüber hinaus besitze ich von keiner Band mehr Tonträger. Es sind mittlerweile 58 und mir fehlen noch einige, die aber leider alle nicht mehr allzu günstig zu erstehen sind. Für alle, die Mogwai, die sich nach den kleinen Tierchen aus "Gremlins" benannt haben, nicht kennen: Die Band ist einer der größten Vertreter des Post-Rocks, einer instrumentellen Rock-Richtung, bei der in der Regel auf Gesang verzichtet wird. Die Songlängen sind dabei überdurchschnittlich lang und Songlängen über zehn Minuten keine Seltenheit. Mogwai sind dabei in meinen Augen auch für Post-Rock-Verhältnisse eher eingängig und damit eine gute Einstiegsband für das Genre im Gegensatz zu anderen Vertretern wie bspw. Godspeed You! Black Emperor. Ich bin auch überzeugt davon, dass hier viele Leute unbewusst schon einmal einen Song der Band gehört haben, da Post-Rock-Songs perfekt für Soundtracks/Werbungen geeignet sind. Als Beispiele fallen mir spontan der Film "Ex Drummer" und der Trailer für Madden 2013 mit Ray Lewis ein.
Die Show in Bochum war das erste Mal, dass ich die Band sehen durfte und es ist bis heute die beste Show, sicherlich auch mit viel Nostalgie dabei. Die Band spielte im Rahmen eines Filmfestivals in Bochum. An dieser Stelle kommt sicherlich die Frage auf, wieso auf einem Filmfestival ein Konzert stattfindet. Die Antwort liegt in der bereits erwähnten Nutzung der Musik für Soundtracks und an dieser Stelle könnte es auch für Fußballinteressierte spannend werden. Es gibt einen Film aus dem Jahr 2006, in dem Zinedine Zidane im Dress von Real Madrid in einem Spiel gegen Villareal das komplette Spiel über von mehreren, extra dafür aufgestellten Kameras gefilmt wurde. Der komplette Soundtrack dieses Films ist von Mogwai. An diesem Abend wurde also zuerst der Film gezeigt und im Anschluss hat die Band ein vollständiges Set gespielt. Der Saal war komplett bestuhlt, meine Begleiter und ich hatten astreine Plätze. Das Publikum teilte sich in zwei Gruppen. Auf der einen Seite Fans der Band, auf der anderen Seite diverse Leute, die nach meinem Gefühl dort waren, weil sie intellektuell und kulturell interessiert sind und man solche Veranstaltungen eben besucht. Ein großer Teil dieser Gruppe sollte die Entscheidung für das Konzert noch bereuen. Doch zuerst einmal zum Film. Es war interessant für die ersten zwanzig Minuten, aber danach hatte es seine Längen. Wenn man die ganze Zeit nur einen Fußballer sieht, wird einem erst einmal bewusst, wie viel die einzelnen Spieler rumstehen oder einfach nur traben. Wirkliche Schlüsselszenen sind selten. Wie das Spiel ausgegangen ist und was mit Zinedine Zidane passiert spoiler ich an dieser Stelle nicht. Ich habe dem Film allerdings seitdem keine zweite Chance gegeben.
Nun zu Mogwai. Ich habe keine Erinnerung daran, ob die Umbaupause lang oder kurz war. Alles was ich noch weiß ist, dass es mehrere Jahre gedauert hat, bis ich je wieder so etwas Großartiges gesehen habe. Erster Track war der erste Song des damals aktuellen Albums „The Hawk is Howling“, welcher auf den Titel „I'm Jim Morrison, I'm Dead“ hört und welcher auch noch heute fester Bestandteil der Setlist der Band ist. Der Song dauert etwas weniger als sieben Minuten und ist das perfekte Beispiel für einen Mogwai Song. Langsamer Beginn, melodisch, ruhig, man wird abgeholt. Langsame Steigerungen, Spannungsaufbau, die Wall of Sound nimmt Formen an um ihn einem Ausbruch zu enden. In diesem Fall dauerte es knapp vier Minuten bis zum ersten Ausbruch, das Piano setzte ein und mir lief ein Schauer über den Rücken gepaart mit Gänsehaut. Viele Leute halten sich an Lyrics fest, aber bei diesen Songs spricht einfach die Musik. Es war mein erstes, komplett bestuhltes Konzert und es war dafür perfekt. Niemand hat einen angerempelt. Man saß in seinem Sessel und konnte einfach nur genießen. Jede Person auf ihre Art und Weise. Mogwai boten Songs aus allen Schaffensphasen und zeigten dabei auch ihre Variabilität. „Scotland's Shame“ und „Hunted by the Freak“, einer der wenigen Songs der Band mit Gesang, beinhalten deutlich mehr elektronische Spielereien, sind aber trotzdem wunderschön und faszinierend auf ihre Art und Weise. Meine Gänsehaut verschwand das ganze Set über nicht. Zur Mitte des Sets gab es dann mein absolutes Highlight mit „Friend of the Night“ und „Auto Rock“ direkt nacheinander. Letzterer ist wohl der bekannteste Song der Band und es war auch der erste Mogwai Track, der mich komplett abgeholt hat. Im Prinzip sind es keine hochkomplexen Songs, aber die Melodien sind so eingängig, so unglaublich schön. Es gibt wenige Dinge, die mich so bewegt haben. Einfach die Augen schließen und genießen. Es ist, als würde die Band im eigenen Wohnzimmer für einen allein spielen. Die Band an sich gibt sich statisch auf der Bühne. Stuart Braithwaite, einer der Gitarristen, könnte man als eine Art Frontmann bezeichnen. Er ist die einzige Person, die redet, aber mehr als ein kurzes “Thank You” gibt es selten. Wen man abseits der Band noch loben sollte, ist der Mischer der Band. Der Sound war extraklasse bei einer Lautstärke jenseits von Gut und Böse. Vergesst Motörhead, Manowar und alle anderen Bands, die vorgeben, laut zu sein. Mogwai stellen es in den Schatten und dabei ist der Sound glasklar, selbst der Bass. Es ist bis heute faszinierend, wie man einen so lauten und dabei guten Sound erzeugen kann. Für manche Menschen war es an diesem Tag zu laut. Wo ich und auch viele Leute in meinem Umkreis ein paar der schönsten Momente ihres Lebens durchlebten, gingen einige Leute, bei denen offensichtlich war, dass sie die Band nicht kannten und mit der Wucht der Songs nicht klarkamen. Dies geschah allerdings relativ zeitig und störte kaum. “Two Rights Makes One Wrong” markierte schließlich den Abschluss des Hauptsets, noch einmal ein absoluter Kracher. Der Name ist natürlich total bescheuert, aber was das angeht, liefern Mogwai fragwürdige Songtitel am laufenden Band, was der Band auch bewusst ist. Es gibt zwar nicht das Überalbum, aber verteilt auf ihre Diskographie so viele gute Songs, das jedes Mal gute Tracks auf der Strecke bleiben und ich bis heute hoffe, dass ich bspw. “Ratts of the Capital” endlich einmal live erleben darf. Zurück zum Set. Die Zugabe bestand aus zwei Songs, die ich beide zu den härteren der Band zählen würde. Während in den meisten Tracks die schönen Melodien dominieren, sind “Like Herod” und “Batcat” vor allem dazu da, einem das Gehör ordentlich durchzupusten. Natürlich nicht ohne Spannunsaufbau und Lautstärkereglern am Anschlag. Bis zu diesem Zeitpunkt saß das Publikum gefesselt in ihren Sitzen. Bei “Batcat” erhob sich dann zentral in der ersten Reihe ein Herr und fing trotz Glatze an zu headbangen, wie in Trance. Ich habe nie wieder einen Menschen gesehen, der einen Song, einen Moment so gefühlt hat wie dieser Herr. Es war irgendwie passend für die Show und hat absolut nicht gestört. Danach war es vorbei, das galt auch für mein Gehör. Ich hatte am nächsten Tag den ersten Tag eines Praktikums und konnte meine Vorgesetzten nur mit Mühe und Not hören. Diese Show ist bis heute eine der besten, wenn nicht die beste Show, die ich je gesehen habe. Nie wieder hat mich etwa so umgehauen. Meine Liebe für Post-Rock wurde an diesem Tag vollständig geweckt und ist bis zum heutigen Tag nicht mehr verschwunden und wenn sich Mogwai irgendwann auflösen, werde ich mir Karten für die letzte Show in Glasgow holen. Das steht außer Frage. Ich weiß, dass das hier Fanboylevel 8000 ist. Es tut mir leid.