Rygel
World Champion
Hände hoch oder ich koche
„Geh mir weg mit der veganen Pampe… Geh mir weg mit der veganen Pampe… Geh mir weg…“ Entschuldigung, mir ist absolut bewusst, dass diese Eröffnung etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber leider wurde mir vor ein paar Tagen ein teuflischer Ohrwurm implantiert, der mir jetzt nicht mehr aus dem Kopf geht. Dabei darf ich mich noch nicht mal darüber beschweren, denn da dieses Liedgut von einer meiner Lieblingsgruppen stammt, ist das nicht mein erster Kontakt mit dieser Offenbarung einer peinlichen Denkschwäche. Der fand bereits vor einigen Jahren statt, unglücklicherweise am Vorabend einer Demonstration gegen die Fleischindustrie. Dass ich heute diese Zeilen überhaupt eintippen kann, ist wahrscheinlich nur dem Umstand geschuldet, dass die anderen Protestierenden die Melodie nicht zuordnen konnten, die ich die ganze Zeit praktisch fremd gesteuert vor mich hin gepfiffen habe.
Allerdings soll dieser Blog gar nicht von Nahtoderfahrungen und unfreiwilligen „Jackass“-Hommagen handeln, mich würde mehr interessieren, mit welcher Intention mir dieses Musikstück via Facebook-Account zugeschickt wurde. Der Absender steht mir nämlich nicht unbedingt freundschaftlich gegenüber, deshalb muss ich davon ausgehen, dass er mich mit dieser Nachricht in irgendeiner Form ärgern wollte. Gut, ich mache kein Geheimnis daraus, dass „Die Kassierer“ einen ziemlichen Stein im Brett meines sowieso total verkorksten Musikgeschmacks haben, allerdings ist mir völlig schleierhaft, wo für mich das gemeine Ärgerpotential in ihrem anti-veganen Bekenntnis versteckt sein soll. Das ergibt für mich sogar aus gleich drei Gründen keinen Sinn, Stammleser haben es bereits im Vorfeld befürchtet und tatsächlich werde ich die komplette Trilogie hier systematisch abarbeiten.
Anfangen möchte ich mit meinem ziemlichen Unverständnis über die Unterstellung, dass ich Sozialkritikversuche von reinen Spaßkapellen in irgendeiner Form ernst nehme. Auf das Konto von Wölfi, dem Sänger und Texter der Kassierer, geht nicht nur der Blog-Auslöser, dieser Mann ist auch verantwortlich für Stücke wie „Rudelfick im Altersheim“, „Blumenkohl am Pillemann“ oder „Sex mit dem Sozialarbeiter“. Eine Kassierer-CD hört man sich am besten mit Fernbedienung an, denn jedes zweite bis dritte Stück ist extrem nervig, peinlich oder sogar unerträglich. Interessanterweise bin ich mir sicher, dass viele Fans diese Ansicht mit mir teilen, denn diese Gruppe hat so eine gigantische musikalische Bandbreite und kennt gleichzeitig keinerlei textliche Tabus, dass es automatisch in jedem Stück zu einem Helge-Schneider-Effekt kommt, da man es entweder lieben oder hassen muss und nur diese zwei Extreme zur Auswahl stehen. Für mich erklärt sich so auch der Erfolg dieser Combo, denn jede Veröffentlichung ist ein wilder Ritt durch alle bekannten Musiksparten mit Texten, die zwischen genial, albern, grandios, widerlich und einzigartig pendeln. Das einzige Gebiet, das dort nicht bedient wird, ist eine ernstzunehmende Gesellschaftskritik, zumindest nicht in Eigenregie, sondern höchstens in Coverversionen. Warum sollte es mich also stören, wenn so ein korrekter Gegenentwurf zur reinen Karnevals- und Stimmungsmusik ein Nonsenswerk ohne jeden Tiefgang und jenseits aller Denkanstösse veröffentlicht?
Bei mir im CD-Regal stehen sogar noch zwei weitere Gruppennamen, die ihr Statement gegen den Veganismus abgegeben haben. Aber auch diese Schrammelvereinigungen sind kritische Federgewichte und entwickeln ihre textlichen Stärken proportional zum Alkoholpegel des Zuhörers. Ich kann da absolut die Faustregel ableiten, dass intelligente Punk-Vertreter wie „Dritte Wahl“, „Slime“ oder „Projekt Schwarz-Rot“ niemals einen plumpen Anti-Veganismus propagandieren würden, auch wenn sie sich noch so omnivor ernähren. Denn diese Gruppen begreifen sich als ernstzunehmende Größen, wenn es darum geht, Missstände aufzuzeigen. So eine Selbstdiagnose wird absolut ad absurdum geführt, wenn man plötzlich herausplärrt, dass einem Schweine total egal sind, weil die so dolle schmecken. Das kann man sich nur leisten, wenn man als unreflektierender Pausenclown bereits etabliert ist und deshalb sowieso keinen seriösen Ruf zu verlieren hat. Ich persönlich höre mir dieses musikalische Kasperletheater sehr gerne an, allerdings werde ich mich nie im Leben davon inspirieren lassen noch regt es mich zu irgendwelchen Überlegungen an. Davon bleibt sicherlich völlig unberührt, dass solche Texte gerade in der stumpfen Amokbiersaufzielgruppe nicht unbedingt die Vernunftsaspekte des Veganismus fördern, aber ehrlich gesagt würde ich Denkansätze in dieser Gesellschaftsschicht sowieso eher als Wunder interpretieren, deshalb sehe ich da zwar keinen Fortschritt, aber auch keine Schadensverursachung durch solche Lieder, das läuft für mich auf einen Patt hinaus.
Das bringt mich zum zweiten Punkt, über den ich sogar etwas sauer bin, denn irgendwo unterstellt mir der Absender indirekt ein Hinterhecheln von gesellschaftlichen Plastikidolen, die tatsächlich einen Einfluss auf mich haben, da ich pauschal ihren mehr oder weniger kreativen Output vergöttere und deshalb jede Äußerung von ihnen auf Goldwaagen lege, um zukünftig mein Leben danach auszurichten. Einen größeren Quatsch kann es für mich aber nicht geben. Sicherlich bin ich ein ziemlicher Fanatiker, was Redebeiträge von Bernd, dem Brot oder Oliver Kalkofe angeht, aber gerade letzterer ist bekennender Fleischfanatiker, ohne dass diese zugegeben sehr ekelhafte Einstellung etwas an meiner Beurteilung über seine anderen Werke ändert. Tatsächlich gibt es mehrere Charaktere, deren Überlegungen mich entscheidend beeinflussen und von deren Einschätzungen ich meinen zukünftigen Lebensweg absolut verbindlich abhängig mache, allerdings teilen sich diese Stimmen mit mir glücklicherweise den gleichen Körper. Deshalb kann ich nicht ohne Stolz angeben, dass ich keine Vorbilder habe, zumindest nicht in einem allgemein gültigen Gesamtpaket. Ich beurteile immer die einzelnen Meinungen von Menschen, sicherlich positiv oder negativ beeinflusst von meiner persönlichen Einschätzung der jeweiligen Aufsteller, deshalb kann ich absolut ausschließen, mein Leben in irgendeiner Form anzupassen, nur weil die Aufforderung von jemandem kam, dem ich blind hinterher eifere und dessen Wort für mich deshalb Gesetz ist.
Mir ist durchaus bewusst, dass wir uns hier auf einem sehr heiklen Themenfeld bewegen, das auch noch sehr unangenehmere Fragen bereit hält wie z. B. ob ich das nur so locker bei Tieren sehe oder ob ich Musikgruppen auch heitere Texte über Ausländerdiskriminierungen durchgehen lassen würde. Ich bin ein glühender Fan der Gruppe Rammstein, dort werden sogar aus Imagegründen Tabus gebrochen und Perversitäten dutzendweise auf das Publikum gehetzt, bei denen ich auch in so manchem Fall jede Konformität verweigere. Dadurch wird das Gesamtkunstwerk für mich zwar auch natürlich mitdefiniert, aber längst nicht untragbar gemacht. Denn natürlich haben diese Herren „Weißes Fleisch“ veröffentlicht, was wirklich textlich nicht zu verteidigen ist und ein absolutes No-Go für mich darstellt, aber trotzdem stammt von ihnen auch „Stirb nicht vor mir“, „Die Spieluhr“ und andere absolute Klassiker in meinem Kulturverständnis. Das ist eine sehr komplizierte Diskussion, denn zusätzlich darf man dabei auf keinen Fall vergessen, dass Veganer, die sich auf diesem Gebiet als absolutes Hardcore-Beispiel ansehen, eigentlich fast grundsätzlich ein letztes Mal „Thank you for the music“ trällern müssten, um sich dann in die ewige Stille zu begeben. Denn ob ein Musiker nun über vegane Pampe singt, sich nach dem Auftritt ein Schwein reinpfeift oder auch nur seinen Hut bei einer Plattenfirma aufhängt, die Tierquäler beschäftigt, nimmt sich gegenseitig vom angerichteten bzw. tolerierten Leid nichts. Blogspezifisch bleibt aber nur festzuhalten, dass die Kassierer keinen Einfluss auf mich haben, ich mit manchen Liedern von ihnen nichts anfangen kann und das deshalb „Vegane Pampe“ für mich ebenfalls keinen kritischen Höhepunkt besetzt.
Womit wir bei Punkt drei angekommen sind, in dem ich möglicherweise recht überraschend dem eigentlichen Tenor dieses Songs sogar Recht gebe, da ich mich zumindest im Refrain absolut mit ihm identifizieren kann. So bescheuert die Strophen über angeblich uninteressantes Tierleid auch daherkommen, so sehr punktet die Zeile bei mir, mit der ich diesen Kommentar eröffnet habe. Tatsächlich muss ich mich an mindestens 4 Tagen der Woche geradezu zwingen, um in der Küche irgendein Konglomerat anzurühren, das garantiert gleich gegen mehrere Genfer Konventionen verstößt. Ich sehe auch von Bilderveröffentlichungen über meine Kochergebnisse ab, da diese in einem Automatismus immer recht deutliche Assoziationen mit Erbrochenen hervorrufen und deshalb der veganen Idee garantiert nicht weiterhelfen würden. Als ich mir noch meine Unterkunft mit Bobby, der größten Allesfressmaschine der westlichen Hemispähre geteilt habe, kam es sogar vor, dass dieser hündische Gierhals meine Kreationen als ungenießbar verweigert hat und sich stattdessen lieber selbst auf den fremden Hundehaufen beim nächsten Spaziergang vertröstete. Ich bin mir auch absolut sicher, dass sich so manches meiner Küchenergebnisse als biologische Waffe verwenden lässt. Die Welt kann nur beten, dass dieser Blog niemals in die Hände des Militärs fällt, denn sobald der Feind mit meinem Standard-Erbsen-Möhren-Kartoffeln-Soja-Gemantsche konfrontiert wird und in der Folge brüllend nach der deutlich humaneren Folteralternative des Waterboardings verlangt, bekommt Amnesty International Probleme, von denen die Mitglieder heute noch nicht mal zu träumen wagen.
Mögliche omnivore Leser dieses Eintrags können aber die La Ola an dieser Stelle gleich wieder einstellen, denn durch meinen veganen Entschluss haben sich da nur die Zutaten geändert, die eigentliche Bedrohung der Menschheit durch meine Zubereitungsanschläge war auch schon in meinen tierquälerischen Zeiten mehr als akut. Legendär waren zum Beispiel meine Fischstäbchen, deren Anbietung im Freundeskreis so manche Panikreaktion verursachte, da ich schon damals unterbewusst vom Tierrechtsgedanken getrieben war und deshalb das Element der Wasserbewohner in der Pfanne mengentechnisch 1:1 mit Öl ersetzt habe, was dem Geschmack nicht nur einen Abbruch tat, sondern ihn direkt kulinarisch gen ewige Jagdgründe geschickt hat. Auch meine Würzorgien, die nicht nach Menge oder Art des Gewürzes, sondern nach Farbe vorgenommen wurden, waren (bzw. sind…) legendär und berüchtigt.
Das liegt einfach daran, dass ich der wahrscheinlich unbegabteste Koch auf CM Punks grüner Erde bin. Jetzt mal von Tim Mälzer abgesehen, der albernen Kochparodie, die sich zu Tourwerbezwecken auch mal gerne an Fleischerhaken hängt und so das unendliche Tierleid der realen Opfer solcher Maßnahmen bagatellisiert. Aber das ist ja erstens kein Wunder noch hebt mich diese Selbstverständlichkeit irgendwie aus der Masse heraus. Unzubereitete Lebensmittel und ich sind natürliche Feinde, man sollte auch grundsätzlich davon ausgehen, dass ich keine Kartoffel beim Schälen fallen lasse, sondern das diese Vorgänge Fluchtversuche des armen Dings markieren, da es verständlicherweise nicht von mir vergewaltigt werden möchte. Mein tiefer Fall in Geschmacksregionen, die noch kein Mensch (außer Gäste von Tim Mälzer) zuvor betreten hat und das auch nicht will, liegt darin begründet, dass mir nach meiner veganen Entscheidung eine gigantische Palette von Fast-Food-Produkten weg gebrochen ist und ich jetzt völlig hilflos und ziemlich unerfolgreich versuche, selbstständig Konserven originell in Pfannen zusammenzuschütten.
Ich gehe stark davon aus, dass sich so auch der Hintergrund darstellt, der zur Abneigung des Kassierer-Poeten geführt hat. Dieser Mann wird kein begnadeter Koch sein, denn sonst würde er nicht solche Texte schreiben. In der intelligenteren Version würde der Refrain auch „Geh mir weg mit meinem unterirdischen Kochkünsten“ lauten. Denn diese sind schlussendlich dafür verantwortlich, wenn man tatsächlich die durchaus real existierende Welt der veganen Pampe betreten muss. Ich durfte schon in veganen Restaurants schlemmen, eine ausgebildete Köchin hat für mich sogar schon mal ein veganes 3-Gänge-Menü gezaubert, das definitiv zu den leckersten Erlebnissen meiner Spachtelkarriere zählt. Genau wie in der omnivoren Variante liegt es nämlich ausschließlich an der Zubereitung, ob es als Abendbrot Pampe oder Geschmackssuperlativen gibt. Und das gilt für das Gesamtgebiet der veganen Lebensmittel, denn mir muss niemand sagen, dass es total widerliche Sojamilch oder Ersatzwürstchen mit Brechgarantie gibt, da besitze ich leider ebenfalls sehr große Erfahrungswerte. Diese Nahrungsangebote existieren aber auch in der omnivoren Variante, das erklärt zum Beispiel die Existenz von Sülze, Blutwurst oder anderen Geschmacksverirrungen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen zwei Ernährungsformen liegt lediglich in der Verursachung von Tierleid, die in der omnivoren Version durch jede Decke schießt, während sie sich in der veganen Alternative absolut minimal präsentiert. Ansonsten gibt es auf beiden Seiten Licht und Schatten, entscheidend beeinflusst vom zur Verfügung stehenden Kochtalent des Partners, des Verantwortlichen des Supermarktgerichts oder in der idealen Version der Marke Eigenbau.
Als Fazit bleibt also nur, dass ich selbstverständlich meine vegane Pampe weiterhin wenn auch bisweilen angewidert in mich hinschaufeln werde, gleichzeitig Musikgruppen thematische Ausreißer verzeihe, solange sie nicht Mehrheiten im Repertoire stellen und vor allem poche ich darauf, dass man mich nicht mit zu meiner Einstellung unkompatibelen Auskoppelungen meiner favorisierten Musik verletzen kann, wenn sie dazu noch dämlich von Leuten formuliert werden, von denen ich Dämlichkeiten erwarte und das sogar teilweise ziemlich amüsant finde. Ich werde mich nun zu meiner Kochpersiflage zurückziehen. Es gibt wohl Sauerkraut-Kartoffeln-Sojawürstchen-Erhitzungen, als Pfiff knalle ich da noch Sojasahne drüber, falls sich Stellen spontan dafür anbieten sollten, mal schauen. Dazu lege ich bewusst das aktuelle Werk der Kassierer in den CD-Player, das ist nämlich richtig großartig geworden und wartet für mich mit lediglich zwei Rohrkrepierern auf. Zu denen gehört noch nicht mal das Lied mit der Textzeile über Rinderfilet. Ich bin halt ein Spinner und in meinem Kopf ziemlich porös, im Gegensatz zum hier zitierten Text werde ich wohl aber in absehbarer Zeit nicht wesentlich seriöser werden. Was für ein Glück! Dann wünsche ich jetzt mal ein „Mahlzeit“ in die Runde, zumindest ich werde sie wohl nicht verhindern können.
„Geh mir weg mit der veganen Pampe… Geh mir weg mit der veganen Pampe… Geh mir weg…“ Entschuldigung, mir ist absolut bewusst, dass diese Eröffnung etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber leider wurde mir vor ein paar Tagen ein teuflischer Ohrwurm implantiert, der mir jetzt nicht mehr aus dem Kopf geht. Dabei darf ich mich noch nicht mal darüber beschweren, denn da dieses Liedgut von einer meiner Lieblingsgruppen stammt, ist das nicht mein erster Kontakt mit dieser Offenbarung einer peinlichen Denkschwäche. Der fand bereits vor einigen Jahren statt, unglücklicherweise am Vorabend einer Demonstration gegen die Fleischindustrie. Dass ich heute diese Zeilen überhaupt eintippen kann, ist wahrscheinlich nur dem Umstand geschuldet, dass die anderen Protestierenden die Melodie nicht zuordnen konnten, die ich die ganze Zeit praktisch fremd gesteuert vor mich hin gepfiffen habe.
Allerdings soll dieser Blog gar nicht von Nahtoderfahrungen und unfreiwilligen „Jackass“-Hommagen handeln, mich würde mehr interessieren, mit welcher Intention mir dieses Musikstück via Facebook-Account zugeschickt wurde. Der Absender steht mir nämlich nicht unbedingt freundschaftlich gegenüber, deshalb muss ich davon ausgehen, dass er mich mit dieser Nachricht in irgendeiner Form ärgern wollte. Gut, ich mache kein Geheimnis daraus, dass „Die Kassierer“ einen ziemlichen Stein im Brett meines sowieso total verkorksten Musikgeschmacks haben, allerdings ist mir völlig schleierhaft, wo für mich das gemeine Ärgerpotential in ihrem anti-veganen Bekenntnis versteckt sein soll. Das ergibt für mich sogar aus gleich drei Gründen keinen Sinn, Stammleser haben es bereits im Vorfeld befürchtet und tatsächlich werde ich die komplette Trilogie hier systematisch abarbeiten.
Anfangen möchte ich mit meinem ziemlichen Unverständnis über die Unterstellung, dass ich Sozialkritikversuche von reinen Spaßkapellen in irgendeiner Form ernst nehme. Auf das Konto von Wölfi, dem Sänger und Texter der Kassierer, geht nicht nur der Blog-Auslöser, dieser Mann ist auch verantwortlich für Stücke wie „Rudelfick im Altersheim“, „Blumenkohl am Pillemann“ oder „Sex mit dem Sozialarbeiter“. Eine Kassierer-CD hört man sich am besten mit Fernbedienung an, denn jedes zweite bis dritte Stück ist extrem nervig, peinlich oder sogar unerträglich. Interessanterweise bin ich mir sicher, dass viele Fans diese Ansicht mit mir teilen, denn diese Gruppe hat so eine gigantische musikalische Bandbreite und kennt gleichzeitig keinerlei textliche Tabus, dass es automatisch in jedem Stück zu einem Helge-Schneider-Effekt kommt, da man es entweder lieben oder hassen muss und nur diese zwei Extreme zur Auswahl stehen. Für mich erklärt sich so auch der Erfolg dieser Combo, denn jede Veröffentlichung ist ein wilder Ritt durch alle bekannten Musiksparten mit Texten, die zwischen genial, albern, grandios, widerlich und einzigartig pendeln. Das einzige Gebiet, das dort nicht bedient wird, ist eine ernstzunehmende Gesellschaftskritik, zumindest nicht in Eigenregie, sondern höchstens in Coverversionen. Warum sollte es mich also stören, wenn so ein korrekter Gegenentwurf zur reinen Karnevals- und Stimmungsmusik ein Nonsenswerk ohne jeden Tiefgang und jenseits aller Denkanstösse veröffentlicht?
Bei mir im CD-Regal stehen sogar noch zwei weitere Gruppennamen, die ihr Statement gegen den Veganismus abgegeben haben. Aber auch diese Schrammelvereinigungen sind kritische Federgewichte und entwickeln ihre textlichen Stärken proportional zum Alkoholpegel des Zuhörers. Ich kann da absolut die Faustregel ableiten, dass intelligente Punk-Vertreter wie „Dritte Wahl“, „Slime“ oder „Projekt Schwarz-Rot“ niemals einen plumpen Anti-Veganismus propagandieren würden, auch wenn sie sich noch so omnivor ernähren. Denn diese Gruppen begreifen sich als ernstzunehmende Größen, wenn es darum geht, Missstände aufzuzeigen. So eine Selbstdiagnose wird absolut ad absurdum geführt, wenn man plötzlich herausplärrt, dass einem Schweine total egal sind, weil die so dolle schmecken. Das kann man sich nur leisten, wenn man als unreflektierender Pausenclown bereits etabliert ist und deshalb sowieso keinen seriösen Ruf zu verlieren hat. Ich persönlich höre mir dieses musikalische Kasperletheater sehr gerne an, allerdings werde ich mich nie im Leben davon inspirieren lassen noch regt es mich zu irgendwelchen Überlegungen an. Davon bleibt sicherlich völlig unberührt, dass solche Texte gerade in der stumpfen Amokbiersaufzielgruppe nicht unbedingt die Vernunftsaspekte des Veganismus fördern, aber ehrlich gesagt würde ich Denkansätze in dieser Gesellschaftsschicht sowieso eher als Wunder interpretieren, deshalb sehe ich da zwar keinen Fortschritt, aber auch keine Schadensverursachung durch solche Lieder, das läuft für mich auf einen Patt hinaus.
Das bringt mich zum zweiten Punkt, über den ich sogar etwas sauer bin, denn irgendwo unterstellt mir der Absender indirekt ein Hinterhecheln von gesellschaftlichen Plastikidolen, die tatsächlich einen Einfluss auf mich haben, da ich pauschal ihren mehr oder weniger kreativen Output vergöttere und deshalb jede Äußerung von ihnen auf Goldwaagen lege, um zukünftig mein Leben danach auszurichten. Einen größeren Quatsch kann es für mich aber nicht geben. Sicherlich bin ich ein ziemlicher Fanatiker, was Redebeiträge von Bernd, dem Brot oder Oliver Kalkofe angeht, aber gerade letzterer ist bekennender Fleischfanatiker, ohne dass diese zugegeben sehr ekelhafte Einstellung etwas an meiner Beurteilung über seine anderen Werke ändert. Tatsächlich gibt es mehrere Charaktere, deren Überlegungen mich entscheidend beeinflussen und von deren Einschätzungen ich meinen zukünftigen Lebensweg absolut verbindlich abhängig mache, allerdings teilen sich diese Stimmen mit mir glücklicherweise den gleichen Körper. Deshalb kann ich nicht ohne Stolz angeben, dass ich keine Vorbilder habe, zumindest nicht in einem allgemein gültigen Gesamtpaket. Ich beurteile immer die einzelnen Meinungen von Menschen, sicherlich positiv oder negativ beeinflusst von meiner persönlichen Einschätzung der jeweiligen Aufsteller, deshalb kann ich absolut ausschließen, mein Leben in irgendeiner Form anzupassen, nur weil die Aufforderung von jemandem kam, dem ich blind hinterher eifere und dessen Wort für mich deshalb Gesetz ist.
Mir ist durchaus bewusst, dass wir uns hier auf einem sehr heiklen Themenfeld bewegen, das auch noch sehr unangenehmere Fragen bereit hält wie z. B. ob ich das nur so locker bei Tieren sehe oder ob ich Musikgruppen auch heitere Texte über Ausländerdiskriminierungen durchgehen lassen würde. Ich bin ein glühender Fan der Gruppe Rammstein, dort werden sogar aus Imagegründen Tabus gebrochen und Perversitäten dutzendweise auf das Publikum gehetzt, bei denen ich auch in so manchem Fall jede Konformität verweigere. Dadurch wird das Gesamtkunstwerk für mich zwar auch natürlich mitdefiniert, aber längst nicht untragbar gemacht. Denn natürlich haben diese Herren „Weißes Fleisch“ veröffentlicht, was wirklich textlich nicht zu verteidigen ist und ein absolutes No-Go für mich darstellt, aber trotzdem stammt von ihnen auch „Stirb nicht vor mir“, „Die Spieluhr“ und andere absolute Klassiker in meinem Kulturverständnis. Das ist eine sehr komplizierte Diskussion, denn zusätzlich darf man dabei auf keinen Fall vergessen, dass Veganer, die sich auf diesem Gebiet als absolutes Hardcore-Beispiel ansehen, eigentlich fast grundsätzlich ein letztes Mal „Thank you for the music“ trällern müssten, um sich dann in die ewige Stille zu begeben. Denn ob ein Musiker nun über vegane Pampe singt, sich nach dem Auftritt ein Schwein reinpfeift oder auch nur seinen Hut bei einer Plattenfirma aufhängt, die Tierquäler beschäftigt, nimmt sich gegenseitig vom angerichteten bzw. tolerierten Leid nichts. Blogspezifisch bleibt aber nur festzuhalten, dass die Kassierer keinen Einfluss auf mich haben, ich mit manchen Liedern von ihnen nichts anfangen kann und das deshalb „Vegane Pampe“ für mich ebenfalls keinen kritischen Höhepunkt besetzt.
Womit wir bei Punkt drei angekommen sind, in dem ich möglicherweise recht überraschend dem eigentlichen Tenor dieses Songs sogar Recht gebe, da ich mich zumindest im Refrain absolut mit ihm identifizieren kann. So bescheuert die Strophen über angeblich uninteressantes Tierleid auch daherkommen, so sehr punktet die Zeile bei mir, mit der ich diesen Kommentar eröffnet habe. Tatsächlich muss ich mich an mindestens 4 Tagen der Woche geradezu zwingen, um in der Küche irgendein Konglomerat anzurühren, das garantiert gleich gegen mehrere Genfer Konventionen verstößt. Ich sehe auch von Bilderveröffentlichungen über meine Kochergebnisse ab, da diese in einem Automatismus immer recht deutliche Assoziationen mit Erbrochenen hervorrufen und deshalb der veganen Idee garantiert nicht weiterhelfen würden. Als ich mir noch meine Unterkunft mit Bobby, der größten Allesfressmaschine der westlichen Hemispähre geteilt habe, kam es sogar vor, dass dieser hündische Gierhals meine Kreationen als ungenießbar verweigert hat und sich stattdessen lieber selbst auf den fremden Hundehaufen beim nächsten Spaziergang vertröstete. Ich bin mir auch absolut sicher, dass sich so manches meiner Küchenergebnisse als biologische Waffe verwenden lässt. Die Welt kann nur beten, dass dieser Blog niemals in die Hände des Militärs fällt, denn sobald der Feind mit meinem Standard-Erbsen-Möhren-Kartoffeln-Soja-Gemantsche konfrontiert wird und in der Folge brüllend nach der deutlich humaneren Folteralternative des Waterboardings verlangt, bekommt Amnesty International Probleme, von denen die Mitglieder heute noch nicht mal zu träumen wagen.
Mögliche omnivore Leser dieses Eintrags können aber die La Ola an dieser Stelle gleich wieder einstellen, denn durch meinen veganen Entschluss haben sich da nur die Zutaten geändert, die eigentliche Bedrohung der Menschheit durch meine Zubereitungsanschläge war auch schon in meinen tierquälerischen Zeiten mehr als akut. Legendär waren zum Beispiel meine Fischstäbchen, deren Anbietung im Freundeskreis so manche Panikreaktion verursachte, da ich schon damals unterbewusst vom Tierrechtsgedanken getrieben war und deshalb das Element der Wasserbewohner in der Pfanne mengentechnisch 1:1 mit Öl ersetzt habe, was dem Geschmack nicht nur einen Abbruch tat, sondern ihn direkt kulinarisch gen ewige Jagdgründe geschickt hat. Auch meine Würzorgien, die nicht nach Menge oder Art des Gewürzes, sondern nach Farbe vorgenommen wurden, waren (bzw. sind…) legendär und berüchtigt.
Das liegt einfach daran, dass ich der wahrscheinlich unbegabteste Koch auf CM Punks grüner Erde bin. Jetzt mal von Tim Mälzer abgesehen, der albernen Kochparodie, die sich zu Tourwerbezwecken auch mal gerne an Fleischerhaken hängt und so das unendliche Tierleid der realen Opfer solcher Maßnahmen bagatellisiert. Aber das ist ja erstens kein Wunder noch hebt mich diese Selbstverständlichkeit irgendwie aus der Masse heraus. Unzubereitete Lebensmittel und ich sind natürliche Feinde, man sollte auch grundsätzlich davon ausgehen, dass ich keine Kartoffel beim Schälen fallen lasse, sondern das diese Vorgänge Fluchtversuche des armen Dings markieren, da es verständlicherweise nicht von mir vergewaltigt werden möchte. Mein tiefer Fall in Geschmacksregionen, die noch kein Mensch (außer Gäste von Tim Mälzer) zuvor betreten hat und das auch nicht will, liegt darin begründet, dass mir nach meiner veganen Entscheidung eine gigantische Palette von Fast-Food-Produkten weg gebrochen ist und ich jetzt völlig hilflos und ziemlich unerfolgreich versuche, selbstständig Konserven originell in Pfannen zusammenzuschütten.
Ich gehe stark davon aus, dass sich so auch der Hintergrund darstellt, der zur Abneigung des Kassierer-Poeten geführt hat. Dieser Mann wird kein begnadeter Koch sein, denn sonst würde er nicht solche Texte schreiben. In der intelligenteren Version würde der Refrain auch „Geh mir weg mit meinem unterirdischen Kochkünsten“ lauten. Denn diese sind schlussendlich dafür verantwortlich, wenn man tatsächlich die durchaus real existierende Welt der veganen Pampe betreten muss. Ich durfte schon in veganen Restaurants schlemmen, eine ausgebildete Köchin hat für mich sogar schon mal ein veganes 3-Gänge-Menü gezaubert, das definitiv zu den leckersten Erlebnissen meiner Spachtelkarriere zählt. Genau wie in der omnivoren Variante liegt es nämlich ausschließlich an der Zubereitung, ob es als Abendbrot Pampe oder Geschmackssuperlativen gibt. Und das gilt für das Gesamtgebiet der veganen Lebensmittel, denn mir muss niemand sagen, dass es total widerliche Sojamilch oder Ersatzwürstchen mit Brechgarantie gibt, da besitze ich leider ebenfalls sehr große Erfahrungswerte. Diese Nahrungsangebote existieren aber auch in der omnivoren Variante, das erklärt zum Beispiel die Existenz von Sülze, Blutwurst oder anderen Geschmacksverirrungen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen zwei Ernährungsformen liegt lediglich in der Verursachung von Tierleid, die in der omnivoren Version durch jede Decke schießt, während sie sich in der veganen Alternative absolut minimal präsentiert. Ansonsten gibt es auf beiden Seiten Licht und Schatten, entscheidend beeinflusst vom zur Verfügung stehenden Kochtalent des Partners, des Verantwortlichen des Supermarktgerichts oder in der idealen Version der Marke Eigenbau.
Als Fazit bleibt also nur, dass ich selbstverständlich meine vegane Pampe weiterhin wenn auch bisweilen angewidert in mich hinschaufeln werde, gleichzeitig Musikgruppen thematische Ausreißer verzeihe, solange sie nicht Mehrheiten im Repertoire stellen und vor allem poche ich darauf, dass man mich nicht mit zu meiner Einstellung unkompatibelen Auskoppelungen meiner favorisierten Musik verletzen kann, wenn sie dazu noch dämlich von Leuten formuliert werden, von denen ich Dämlichkeiten erwarte und das sogar teilweise ziemlich amüsant finde. Ich werde mich nun zu meiner Kochpersiflage zurückziehen. Es gibt wohl Sauerkraut-Kartoffeln-Sojawürstchen-Erhitzungen, als Pfiff knalle ich da noch Sojasahne drüber, falls sich Stellen spontan dafür anbieten sollten, mal schauen. Dazu lege ich bewusst das aktuelle Werk der Kassierer in den CD-Player, das ist nämlich richtig großartig geworden und wartet für mich mit lediglich zwei Rohrkrepierern auf. Zu denen gehört noch nicht mal das Lied mit der Textzeile über Rinderfilet. Ich bin halt ein Spinner und in meinem Kopf ziemlich porös, im Gegensatz zum hier zitierten Text werde ich wohl aber in absehbarer Zeit nicht wesentlich seriöser werden. Was für ein Glück! Dann wünsche ich jetzt mal ein „Mahlzeit“ in die Runde, zumindest ich werde sie wohl nicht verhindern können.