N2074
Midcard
Der folgende Text ist einem guten Freund gewidmet.
"Veronika!" Genervt rollte die junge Frau, vielleicht mitte 20, mit den Augen und zog demonstrativ an ihrer Zigarette, als hätte der Mann ihre Achtung gar nicht verdient. "Was willst du, Max?", antwortete sie nach einer Weile ohne den Blick von den gegenüberliegenden Häuserfassaden zu nehmen und seufzte lethargisch, als der Jüngling ein paar Schritte auf sie zuging. Eine Reaktion kalt wie Eis, aber atemberaubend schön. Sirene. Er schien den überaus auffälligen Seufzer bemerkt zu haben und hielt zögernd ein. "Ganz ruhig. Du weißt, was ich will." Aufgebracht warf sie den Kopf in den Nacken, drehte sich zur Seite und Blaue Augen, so tief und weit, dass die Zeit anmutig einhalten wollte stemmte provozierend den Arm auf die Hüfte. "In Uniform? Etwas dramatisch, findest du nicht?" Kurzzeitig musste der Polizist lächeln und öffnete den obersten Hemdknopf der Uniform. Diese vollen, roten Lippen."Ich bin im Einsatz, wie du dir vielleicht denken kannst." Desinteressiert zuckte sie mit den Achseln, trat den Zigarettenstummel aus und starrte wieder verloren auf die karge Häuserfassade. Beine die jeder Beschreibung spotteten. “Hör zu! Ich möchte, da...”
"Weißt du, was ich mir zu Weihnachten vom Weihnachtsmann gewünscht habe?” Der Mann hielt inne. “Dasselbe wie jedes Jahr. Immer aufs Neue. Nie erwachsen zu werden.” Verwirrt musterte Max seine Freundin und beschloss nachzuhaken. “Wie... wie meinst du das?” Ohne auf seine Frage einzugehen, oder sich umzudrehen sprach sie verbittert weiter. “Aber ich merke, dass sich meine Wahrnehmung mit der Zeit ändert und sich mein Bewusstsein anpasst, schleichend wie ein süßes Gift, dass langsam durch meine Venen fließt. Ich will nicht erwachsen werden und mich Tag für Tag von einer Etikette zerfressen lassen, die mich anwidert. Wahre Individualität wird in dieser Welt nicht wirklich zugelassen, auf sie wird gespuckt und getreten. Früher oder später passt sich jeder an, fällt ins Raster und dringt zwanghaft ins System. Sei es weil er im Beruf weiterkommen will oder sich in einem Konstrukt loser sozialer Bindungen verlieren will. Jeder ist sich selbst sein Judas. Was uns ausmacht, wodurch wir uns definieren, das verschließen wir im Angesicht der Gesellschaft und unseres Spiegelbildes tief im Herzen und werfen den Schlüssel in die Gosse. So oder so, am Ende des Tages scheint die Sonne nur noch aus Barmherzigkeit auf uns. Die kindlichen Prioritäten wandeln sich in ein Bewusstsein komplexer Netze, gespannt aus simpelsten Nichtigkeiten und bedeutungsarmen Kleinigkeiten. Jugendliche Prinzipien weichen Opportunitäten und fallen aus dem grellsten Licht in den dunkelsten Schatten.”
“Veronika, das ist doch...” Energisch gebot Veronika ihrem Freund mit einer Geste einzuhalten, als er ein paar Schritte auf sie zu gehen wollte. Sie ist dein. “Wer sich am Ende es Tages seine Kindlichkeit erhält wird einfältig und naiv genannt, infantil, sieht sich einer verachtenden Miene oder einem mitleidigen Blick gegenüber. Muss sich rechtfertigen, weil der Chef es nicht verstehen kann, dass ein Blick auf eine einfache Blüte oder in einen seichten Sonnenuntergang soviel mehr wert sein kann als sein Cabriolet, es sei denn das Schauspiel wurde von einem berühmten Maler auf einer Leinwand verewigt und entspricht dem Preis des Cabrios. Das Wesentliche rückt zusehend in den Hintergrund, wird in einem ekelerregenden Konstrukt aus staatlicher Gewalt, perverser Ideologie und gesellschaftlichem Wahn begraben und nur noch ein fast vergessener Grabstein mit matter Schrift ist der letzte Wegweiser heraus aus dem Weg der Nichtigkeit. Wer, wenn nicht unsere Erinnerungen, soll uns die Augen öffnen? Was in der Kindheit und Jugend Bedeutung hatte, ist im Alter verflogen, was Kinderaugen sehen, vermag kein Erwachsener zu fassen.”
„Du übertreibst! Du hast dich da in etwas hineingesteigert“ Für einen Moment starrte sie ihn entgeistert an. Ein kalter Wind fegte durch ihr langes, schwarzes Haar so samt wie die Nacht und summte das stille Lied der Vergesslichkeit. Dein allein. Plötzlich zierte ein abwertendes Grinsen ihre zarten Gesichtszüge und sie zog eine weitere Zigarette aus ihrer Hosentasche. „Veronika! Komm zu dir! Lass uns darüber reden!“ Seelenruhig zündete die junge Frau ihre Zigarette an und wandte sich wieder der Häuserfassade zu. „Du lebst wirklich bloß vor dich hin, Max.“, bemerkte sie trocken, nachdem sie den ersten Zug der Zigarette genossen hatte und fuhr fort, als wäre sie nie unterbrochen worden.
“Das Einfachste, das Natürlichste, die Welt zu erkunden und sich an den Kleinigkeiten von Morgen in der gestrigen Neugier heute zu erfreuen. Nicht umsonst schwelgen wir in Erinnerungen hören wir Lieder aus Jugendzeiten oder vergessen die selbst aufgezwungene Bühne, wenn wir Orte aus der Kindheit aufsuchen. Nur der neugierige und unschuldige, bedingt geprägte Blick des Kindes vermag zu erfassen, was von Bedeutung ist und erkennt die einzigartigen Wunder dieser Welt. Im Alter weicht diese Neugier alltäglichen Ritualen und das Bewusstsein wird abgeklärt und kalt. Leblos. Wir werden zu wandelnden Leichen, die nur noch auf ihren Tod warten. Nicht mal Träume können wir uns noch offen gönnen, ohne mit einem Blick angesehen zu werden, der 'Werd' endlich erwachsen' gerade zu herausposaunt! Dabei machen uns Träume erst zu dem was wir sind. Wer nicht träumt, dessen Leben zieht an ihm vorbei. Nur wenn wir in der Lage sind zu träumen können wir von uns behaupten das eigene Leben im Kern einordnen zu können. Erst Träume erlauben es uns vollkommen vom Alltag abzuschalten und unter einer transzendenten Lichtung zur Ruhe zu kommen, die Ruhe zu finden, die wir so dringen brauchen. Trotzdem hat der Begriff Träumer einen negativen Beigeschmack in dem leistungsorientierten Wahn bekommen und wird häufig in einem Atemzug mit anderen kindlichen Attributen genannt.”
Betreten folgte der Blick des Polizisten dem Veronikas und er verlor sich ebenfalls in der gegenüberliegenden Häuserfassade. Veronika zog noch einmal kräftig an ihrer Zigarette, bevor sie den verbliebenen Rest geschickt zur Seite schnippte und ihn gebannt verfolgte, als er vor ihren Füßen glühend mehrere dutzend Meter hinunterflog und vor einem Weihnachtsstand landete. “Veronika! Hör mir zu! Du magst vielleicht Recht haben, das können wir später erörtern, aber was soll sich denn hierdurch ändern?” Wütend schleuderte sie ihm ihre Tasche entgegen und giftete ihn an. “Du verstehst das alles scheinbar nicht! Das Problem ist, dass sich zuviel ändert und die Veränderung nicht zu stoppen ist, nicht in diesem Leben!” Entsetzt fing er die Handtasche auf. Diese zierlichen Hände, Nägel, die sich in mein Fleisch bohren sollten. “Hör zu! Ich verstehe, wie du dich fühlst, aber das ist keine durchdachte und Reif...”
“Reife! Die Fähigkeit sich unter Kontrolle zu haben, sich anzupassen! Wer will sich schon immer unter Kontrolle haben? Was wäre das für ein Leben? Ohne wahre Leidenschaft, ohne offen und spontan dem einzig ehrlichen Ruf auf dieser Erde, dem des Herzen zu folgen. Es widert mich an, die neurotische Unterwerfung vor dem sozialen Umfeld und trotzdem attestieren wir uns frei zu sein. Freiheit! Ich sehe ein Kind oder einen geistig behinderten Menschen auf der Straße und verspüre nichts anderes als bloßen Neid. Neid auf die Fähigkeit aller Einflüsse zu entsagen und ein Leben vollkommen frei von erwachsener Etikette und Werten zu führen. Neid auf die unbekümmerte Zuflucht ihrer limitierten Wahrnehmung, Neid auf ein Bewusstsein, dass ich nicht mehr in mir wecken kann, dass für immer verloren ist. Von unfassbarem Narzissmus getrieben, beeindruckt uns nur noch das, was der Mensch selbst geschaffen, wie die selbsternannte Krönung der Evolution sich prächtig entfaltet. Der Prozess des exponentiellen Schaffens steht im Vordergrund! Die alltägliche Schönheit und Faszination verschließt sich leise im sanften Einrasten des Schlosses der Wahrnehmung. Was die Kinder oder die Jugend beschäftigt und beeindruckt wirkt auf uns gar lästig und irrelevant.”
Versteinert beobachtete Max seine Geliebte und konnte den Blick nicht von ihrer zarten Gestalt lösen. Zögernd trat Veronika ein Stück vor und starrte in den Abgrund, in das Tummeln des Weihnachtsmarktes. Wie im Rausch – betörend. Die warme Höhe, der kalte Wind, der ruhige Herzschlag, das chaotische Treiben unter ihr. „Veronika! Stopp! Du hast ja in vielem Recht, aber bitte... komm zu dir!“ Genüsslich schlossen sich ihre Augen, sie warf den Kopf in den Nacken. Ihre wundervollen Haare peitschten im Wind, wie schwarze Schlangen. Medusa.
„Veronika! Das ist kein Grund sein Leben wegzuwerfen! Du hast noch soviel Zeit vor di...“
“Zeit. Ha! Mit Freuden erinnere ich mich an vergangene Tage, als ich die Zeit noch anders wahrgenommen habe. Als eine Stunde nicht einem bloßen Wimpernschlag glich und ein Tag nicht nur ein austauschbarer Augenblick in der Lethargie des Lebens war. Die Zeit rannte mir nicht davon, jeder Tag war kostbar, jeder Tag war einzigartig, jeder Tag fühlte sich an wie ein Geschenk, nicht wie eine Strafe. Heute rinnt der zarte Sand der ewigen Uhr flüsternd, aber unaufhaltbar durch meine Finger und jeder Blick auf die Uhr zeigt mir, dass mein Leben eine Farce ist, nichts weiter als eine bedeutungsarme Abfolge von flüchtigen Augenblicken. Das Konstrukt der Zeit, die neurotische Versiegelung von Leben in einem Kalender aus trockenen Daten und kalten Zahlen. Nur ein Kinderherz vermag diese krankhafte Perversion zu vergessen und Freude im Augenblick zu finden, der für den Erwachsenen dieser Welt nichts anderes ist, als ein Schuss für den Abhängigen. Ihn gerade noch vor dem Kollaps rettet, verhindert, dass es ihn innerlich zerreißt. Alles hetzt, alles strotzt. Wahre Gefühle sind Ballast, den es abzuwerfen gilt. Der Spießrutenlauf des Erfolges bietet keinen Freiraum für Individualität, Liebe oder Glück. Um den Verstand geschlagen. Um das Herz betrogen. Aber um Gottes Willen nicht als Verlierer dastehen.” Sie deutete auf den Trubel des Weihnachtsmarktes. “Es ist kein Wunder, dass wir die Weihnachtszeit nicht mehr so wie damals erleben. Wir verlieren uns in angeblichen Verpflichtungen und umgeben uns mit einem Käfig sozialen Drucks.”
Berührt ließ der junge Mann die gepredigten Worte sacken, während Veronika leicht zitternd einen weiteren, kleinen Schritt in Richtung Abgrund tat. Was für ein Gestell, was für ein Arsch. „Okay, okay!“ Sprich ihr zu, verdammt! „Du hast ja recht, du hast ja recht.“ Blitzartig wand sich Veronika ihm zu und beäugte ihn grinsend. „Als würdest du diese Gedanken auch nur im Ansatz verstehen.“ Ertappt. „Ich verstehe worauf du hinaus willst, aber.. bitte... du musst doch noch den Blick für die Realitä...“
“Realität. Pah. Ich spucke auf eure Realität. Wie erhebend war es als Kind in einem Ast ein Schwert und in einer Decke ein Dach zu sehen? Heutzutage wird Kreativität und Phantasie in Stellenbeschreibungen für die Medien und Werbung angegeben! Die Wenigen, die heutzutage noch in den Ketten des Dämons der Phantasie die Flügel des Genius erkennen, werden instrumentalisiert für eine pervertierte Gesellschaft in einem ekelerregenden System. Kaum jemand versteht noch wie erhabend Phantasie sein kann, welche Zuflucht sie bietet. In einem alltäglichen Gedanken findet sich so viel Bezug zur Realität, dass wir regelrecht vergessen wonach wir streben und was wir uns erträumen, was uns definiert. Diese Welt hat keine Zeit mehr für Träume. Erst im freien Fall der Phantasie vergisst man das eigene Gefängnis, erst wenn der Boden des Alltäglichen unter den Füßen bricht, merkt man wie kostbar Leben ist, wie einzigartig. Sollte es auf dieser Welt etwas wie Freiheit geben, finden wir sie in der unberührten und reinen Phantasie. Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Ich merke es an mir, wie mir die Gabe verloren geht, das Phantastische im Alltag zu sehen, jeden Tag aufs Neue. Sie schwindet, gleitet mir durch die Finger. Ich sehe nur noch das Erbrochene der dreckigen Realität, es widert mich an. Wenn dies der erwachsene Blick auf das Leben ist, dann kann ich darauf verzichten, will ich darauf verzichten.”
Mit diesen Worten zog sie ihre High Heels aus und stellte sie ordentlich neben sich, als würde sie sie ihn einen Schuhschrank stellen. „Veronika.. bitte...“, stotterte der Polizist und ging mehrere Schritte auf sie zu, hielt aber sofort an, als seine Freundin sich an den äußersten Rand stellte und ihm mit einer Geste gebot zu stoppen. Eine Träne rollte ihre zarten Wangen herab. „Du willst doch gar nicht sterben, Veronika! Ich bi...“ Mit leidender Stimme unterbrach sie ihn. „Ich will nicht leben, Max, nicht im Körper eines Erwachsenen dieser Welt. Viele Möglichkeiten bleiben mir nicht.“ Lächelnd widmete sie sich wieder verträumt der Häuserschlucht, als ihr Freund plötzlich auf die Knie fiel und mit wimmernder Stimme zu sprechen begann, die Fäuste auf den Boden gedrückt. „Du weißt, ich bin nicht nur als Polizist hier, sondern als dein Freund. Du wolltest nur mit mir sprechen, wolltest keinen meiner Kollegen an meiner Seite sehen. Und wofür das Ganze? Damit du nun doch springst? Bitte, Veronika! Du willst das doch gar nicht. Ich liebe dich, Veronika, ich lie...“
„Liebe? Du liebst mich? Was weißt du denn schon von Liebe? Alles was du in mir siehst ist eine bloße Fotze, die du vögeln kannst. Glaubst du ich bemerke deine Blicke nicht? Selbst jetzt, in dieser Situation, wirfst du mir immer noch schamlos diese Blicke zu. Würdest du mich wirklich lieben, würdest du mich schubsen. Mir die ganze Scheiße hier ersparen.“
Entsetzt stand Max auf, schüttelte den Kopf und kehrte ihr kalt den Rücken zu. „Wenn du so von mir denkst, wenn du denkst, ich bin nur hier oben, um dich zukünftig noch nageln zu können... dann tut es mir leid. Um dich und unsere Beziehung.“ Er atmete langsam aus, versuchte sich zu beruhigen, seine Hand zitterte.
Seine Beine waren schwer wie Zement, er konnte nicht gehen, wollte es nicht. Vielleicht doch? Irrelevant. Sie würde springen. Mit Sicherheit. Ich werde springen. Mit Sicherheit. Dreh' dich um. Dreh' dich um. Nun mach schon, Max. Die Frau ist dein Leben gewesen. Über ein halbes Jahrzehnt. Komm schon, mein Lieber, komm schon. Schon immer wies sie Tendenzen einer psychischen Störung auf. Zeigte sich bei mehreren Untersuchungen. Ich bin nicht gestört und du weißt das! Mein Kopf schmerzt tierisch. Sie hat recht. Ich habe recht. Nein, so ein Unsinn. Du weißt es. Oder? Mein Leben, was habe ich denn heute noch davon? 7.00 Uhr aufstehen... um 8.00 Uhr beginnt deine Arbeit, um 13.00 Uhr Mittagspause, 15 Minuten in den Zeitungen blättern und nichts verstehen, alles kommentieren, nichts gutheißen, alles unterstützen. Reife zeigen. Erwachsen sein. Die Ruhe bewahren. Der Etikette folgen. Ich weiß, dass du das nicht willst. Will ich das? Wohl kaum. Aber was bleibt mir anderes übrig? So funktioniert die Welt, ich bin nur ein Zahnrad. Nichts weiter als ein Instrument bist du. Das musst du doch einsehen. Gezwungen das Schöne dieser Welt zu verachten. Gezwungen das Hässliche dieser Welt zu loben, Max. Die Zeit rennt mir davon, gefangen in einem Alltag der keine Zeit lässt zu leben, nur langsam zu sterben. Vielleicht hat Veronika recht. Mit Sicherheit habe ich das, du hast den Kopf zur Seite geneigt, ich kenne das Zeichen, es verrät dich. Deine Gedanken. Kann ich wirklich noch unbeeinflusst denken? Oder foltern mich die alltäglichen Gedankengänge und kleben vor meine Wahrnehmung eine Tapete, damit ich nicht über das eigene Elend sinniere? Komm schon! Sieh es endlich ein, folge mir. Finde auch du dein Glück im Unglück. Befreie dich vom Fluch eines Lebens der falschen Prioritäten. Aber du bist doch erwachsen, wieso berühren dich diese naiven Worte so sehr? Vielleicht weil sie wahr sind? Ich spreche die Wahrheit und das weißt du. Verdorben. Wann? In der Jugend beeinflusst ein Leben zu führen aus dem es keinen Ausweg mehr gibt. Wo? Überall! Wie? Medien, Gespräche, Eltern, Erziehung, Freunde, Werte, Prämissen, Vorurteile, Glaube, Gedanken, Sprache, Leistung, Versagen, Liebe, Hass, Armut, Reichtum. Warum? Um zu funktionieren. Wer? Sie Alle. Jeder einzelne in deinem Leben. Geprägt. Gezwungen zu vergessen, was von Bedeutung. Gezwungen das Perverse zu lieben und das Natürliche zu verachten. Gezwungen sich aufzugeben und zu verstecken, auf keinen Fall zu zeigen. Natürlich, Liebe, Realität, Zeit, Reife. Alles ändert sich. Und das weißt du. Du willst nicht, dass es sich ändert, aber das tut es. Du versuchst dem zu widerstreben, es zu ignorieren, ertränkst dich in Konsum und Verzicht, Arbeit und Trägheit, Sinn und Unsinn, Erfolg und Versagen, nichts davon ist relevant, nichts von Bedeutung, nichts natürlich. Es ist unser Leben, Max. Nicht deren. Mein Leben. Nicht ihrs. Du bist erwachsen, handele entsprechend. Du hast einen Beruf, kleide dich entsprechend. Du bist Teil dieser Gesellschaft, zeige es entsprechend. Du hast Verantwortung, trage sie entsprechend. Du hast Kummer, verdränge ihn entsprechend. Du liebst, vergesse es entsprechend. Du hast dir einen Job zu suchen, du hast dich normal zu benehmen, du hast zu Kaufen, du hast das Gesetz zu achten, du hast der Gesellschaft zu dienen, du hast der Mode zu folgen, du hast Kinder zu kriegen, du hast für dein Alter zu sorgen, du hast Respekt zu zeigen, du hast zu reden, du hast zu schweigen, du hast zu lieben, du hast zu verstehen, du hast zu fühlen, du hast zu sehen, du hast zu hören, du hast zu weinen, du hast die Fassung zu wahren, du hast eine bröckelnde Maske zu tragen, du hast Erwachsne zu sein, du hast zu leben, du hast, du hast und hast und hast und hast, bis du hasst. Zu hassen lernst. Bis du den Käfig aufbrechen willst, aber vergebens den Schlüssel suchst. Du willst das sich alles ändert, aber dafür ist es zu spät. Schon lange.
Ihre Körper zerschellten brutal am kalten Asphalt des Bürgersteiges, ineinander verschlungen und mit einem Lächeln auf den Lippen.