Penetrante Evolutionsverweigerer gegen Intelligenz, Durchblick und Anstand
Diesen Blog möchte ich mit einer Aufklärung beginnen. Die Abkürzung Pegida, die zur Zeit verstärkt durch die Medien geistert, steht nicht für „Peinliches Engagement gelangweilter Individuen mit Denkallergie“. Sicherlich ist es absolut verständlich, wie es zu diesem Missverständnis kommen konnte. Dafür muss ja nur ein beliebiger Teilnehmer den Mund öffnen und seine holprigen Ansichten (sofern überhaupt vorhanden bzw. im Hirn in einer verständlichen Sprache ausformuliert) gen Mikrofone schwallen, und ruckzuck können intelligente Beobachter zwangsläufig nur zu dieser Assoziation kommen.
Dennoch ist sie einfach falsch, und sei es auch nur, weil die ursprünglichen Erfinder eine andere Bezeichnung im Sinn hatten. Da greift dann einfach der Copyright-Anspruch des Produzenten, den muss man immer akzeptieren und das Kind beim getauften Namen nennen, auch wenn alle anderen Erklärungen noch so griffig und vor allem logischer erscheinen. Und der lautet eben im Original „Primaten ejakulieren grenzdebil auf ihre dumme Ausländerfeindlichkeit“.
Halt, da hat sich schon wieder ein Übermittlungsfehler eingeschlichen, das ganze Gebiet ist wirklich kompliziert besetzt und man kann es nicht erfassen, solange man seinen gesunden Menschenverstand dabei nicht übergangsweise an die kurze Leine nimmt. Ich versuche mich ein letztes Mal zu konzentrieren und die offizielle Abkürzung korrekt aufzulösen, indem ich alle sich aufdrängenden inoffiziellen Varianten ignoriere: „Pissköppe... nein... Patriotische Einzeller... verdammt... Patriotische Europäer gegen die Idee des Aigenständigendenkens... fast... Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Puh, was für eine schwere Geburt.
Aber auf so eine Hirnrotze muss man auch erstmal kommen. Ich würde ja spontan Geld dafür bezahlen, um mal herauszufinden, wo genau diese Leute ihr Abendland vom Islam bedroht sehen. Das Abendland, Pegida-Unterstützer sprechen auch gerne vom ehemaligen Dritten Reich, erstreckt sich über ganz Westeuropa, manche Quellen zählen sogar die komplette westliche Welt dazu. Wenn es da eine Bedrohung durch Islamisten geben würde, müsste die dann nicht wenigstens schon in ein paar Ländern akut sein?
Wo genau liegt denn die Wurzel der Angst dieser Schafe, die sich gerade verstärkt in deutschen Innenstädten zusammenrotten? Wurde bei Aldi an der Kasse in der Schlange hinter ihnen türkisch gesprochen? Haben sie eine größere Menschengruppe in der Fußgängerzone gesehen, in der vereinzelt Schnurrbärte zu bewundern waren und deren Mitglieder es zudem gewagt haben, sich nicht lautstark über die letzte Wetten-dass-Folge oder die Bundesligaergebnisse des Wochenendes zu unterhalten? Konnten diese Leute also zusammengefasst als gefährliche, da undeutsche Bedrohung identifiziert werden?
Ich bin bei dem Thema aber sowieso der falsche Ansprechpartner, denn ich hätte gar nichts gegen eine Islamisierung unserer Breitengrade. Auf keinen Fall würde ich das unterstützen, ich würde im Fall der Fälle auch ziemlich offen meine Gegenmeinung vertreten, ich würde mich niemals an den Gottesdiensten beteiligen und ich würde mich auch sicherlich über Ruhestörungen durch Muezzins aufregen, alles keine Frage.
Das sind aber Verhaltensweisen, die ich auch heute schon praktiziere. Ich bin nämlich ein zugegeben unpatriotischer Europäer, der gegen die Christianisierung des Abendlandes ist. Niemals würde ich die großen Kirchen unterstützen, ich besitze da eine Gegenmeinung, die von der Größe her eine eigene Hausnummer benötigt, ich meide Gottesdienste bereits seit Jahrzehnten und ich rege mich gerade jetzt in meiner Auszeit tierisch darüber auf, dass ich jeden Morgen um 8 Uhr von Kirchenglocken aus dem Bett getrieben werde.
Ich verstehe deshalb nicht mal ansatzweise, warum ich den Islam nicht genauso tolerieren und akzeptieren sollte wie das Christentum. Im Zweifelsfall zieht da immer das Mehrheitsprinzip und dem habe ich mich zu unterwerfen. Und allein auch wegen diesem Prinzip sehe ich sowieso nicht mal ansatzweise eine Islamisierung unserer Gesellschaft auf der Zukunftsagenda. In meinem Leben gab es jetzt schon diverse türkische, jeweils einen arabischen, einen griechischen und zwei irakische Kontakte, und nicht einer von ihnen war religiös angehaucht.
Nur weil ein paar Spinner als Scharia-Polizei durch die Straßen ziehen und Menschen schräg anlabern, ist das doch nicht der Untergang der abendländischen Kultur. Wieviele katholische Erzkonservative gibt es hierzulande, ohne dass ihr menschenfeindliches Mantra Allgemeingültigkeit erlangt? Überhaupt geht der Trend überall hin zum Atheismus, egal ob Abend- oder Morgenland. Nur weil in den Medien gerne das Feindbild des strenggläubigen Islamfanatikers gefüttert wird, heißt das längst nicht, dass nicht auch dort der Glaube längst zu einer friedlichen Tradition geworden ist, die man einfach betreibt, weil es sich so gehört und es nicht weiter weh tut. Der Großteil der Islam-Gläubigen ist genau wie der Großteil der Christen absolut pazifistisch, völlig egal, wie blutig die Geschichte ihrer jeweiligen Religion auch sein mag und was es da auch heutzutage noch für extremistische Spitzen gibt. Die haben weder hüben noch drüben Anspruch auf Allgemeingültigkeit und definieren keine dieser Glaubensrichtungen.
Ich würde mir an Stelle des ach so braven Bürgers, der in Dauerschleife betont, nicht rechts, sondern nur gegen Ausländer zu sein, über zwei ganz andere Dinge den Kopf zerbrechen. Zum einen wäre da das Strafregister des Pegida-Gründers Lutz Bachmann. Dort tummeln sich Delikte wie Einbruch, Diebstahl, Körperverletzung und Anstiftung zur Falschaussage. Der Mann war auch schon mal selber Flüchtling, als er 1998 aufgrund einer Verfolgung durch die deutsche Staatsanwaltschaft einen auf Dr. Kimble gemacht hat. Er wurde auch schon mehrmals mit Kokain erwischt, und zwar in Mengen, die Dealerei zumindest nicht ausschließen. Wie kann man auch nur zuhören, wenn jemand etwas über Ausländerkriminalität schwafelt, dessen Strafregister größer ist als das der Panzerknacker, Darth Vader und Lord Voldemort zusammen?
Der zweite Punkt ist aber noch wichtiger als der erste. Jeder, der durch Asylbewerber seinen Wohlstand bedroht sieht, sollte sich mal darüber informieren, was das Hauptthema des letzten CDU-Parteitages war. Da drehte sich alles um die schwarze Null des Bundeshaushalts. Ich kann gerne mal übersetzen, was das genau heißt. Die Rentenkasse ist versiegt, der Hartz4-Satz reicht weder zum Leben noch zum Sterben, die meisten Bundesländer sind so hochverschuldet, dass es nicht mal zur Straßensanierung reicht und soziale Einrichtungen fast im Monatstakt schließen, aber der Finanzminister feiert seinen gigantischen Sparkurs, dessen Erfolg er nicht mal selbst errungen hat, sondern lediglich von den historisch niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank profitierten konnte.
Das alleine wäre schon mehr als obszön, aber es kommt sogar noch besser. Diese schwarze Null steht, obwohl die deutsche Wehrmacht... Bundeswehr wieder rund um den Erdball in Einsätze geschickt wird, jeder 0815-Politiker die Reise zur Weihnachtsfeier seines internationalen Lieblingskollegen gesponsert bekommt und inzwischen fast jeder Fernsehsender gleich eine ganze Serie über millionenschwere Subventionsverschwendungen im Programm hat. Wie kann man unter diesen Umständen auch nur sekundenlang Asylbewerber für irgendwelche persönlichen Wohlstandseinbußen verantwortlich machen?
Von diesen Leuten hat niemand die Hartz4-Gesetze eingeführt, das waren auch keine böse Islamisten, da wurde vor Jahren ein Deal zwischen der SPD und den Privatversichern gemacht, inklusive Hausbesuche bei Kanzler Schröder und finanziellen Entscheidungshilfen im Millionenbereich. Es sitzt auch kein einziger Asylant bei den Verhandlungsgesprächen über TTIP, TAFTA und wie die ganzen Wirtschaftsabkommen noch heißen mögen, die demnächst auf den Verbraucher losgelassen und die zu einer Klagewelle der Konzerne führen werden, deren Auszahlung selbstverständlich auch aus Steuergeldern bestritten wird. Meine Güte, hinter verschlossenen Türen werden gerade erste Vorschläge formuliert, nicht ob, sondern ab wann man das Trinkwasser privatisieren könnte.
Wie kann man sich in solchen Szenarien zusammenrotten und dagegen vorgehen, dass ein diffuses Abendland von einer noch diffuseren Islamisierung geschluckt wird? Dieses Abendland wird gerade hart von der westlichen Politik gefickt, da existiert in ein paar Jahren gar keine Möglichkeit mehr, um irgendetwas an der Situation der Unterschicht und der dann womöglich gar nicht mehr existierenden Mittelversion zusätzlich zu verschlechtern.
Den für diese absurde Schwarze-Peter-Suche in Kreisen Andersgläubiger benötigten Alkoholpegel kann man doch unmöglich über Wochen stabil halten, warum brechen diese Leute also nicht verstärkt zusammen? Ist die Lage tatsächlich so dramatisch, dass Dummheit, Uninformiertheit und nicht hinterfragtes Herdendenken immun machen gegen vernünftige Geistesblitze aller Art? Fragen über Fragen. Jedenfalls wird es jetzt wirklich mal Zeit für Imgidu „Intelligente Menschen gegen Idiotisierung des Universums“. Aber wahrscheinlich ist das nicht populistisch genug, um das Interesse des durchschnittlichen Wutbürgers zu wecken.