Rygel
World Champion
Wenn Visionen sterben
Möglicherweise lesen Sie gerade das letzte Mal von mir. Wenn das jetzt dramatisch klingt, dann habe ich diese Ankündigung nicht richtig formuliert, denn dieses Wort untertreibt meine derzeit mehr als fatale Lage total. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie es weitergehen soll, meine Zukunft ist nicht düster, dieses Dunkel ist viel mehr als die bloße Abwesenheit von Licht. Jetzt hat der Insider am letzten Nebensatz gemerkt, dass ich trotz allem noch meinen Lieblingsautoren zitieren kann, aber das ist wirklich der pure Galgenhumor, basierend auf reiner Verzweifelung. Aber lassen Sie mich etwas ausholen, damit Sie meine hoffnungslose Situation verstehen und vielleicht auch meine Selbstmordgedanken besser nachvollziehen können.
Angefangen hat alles mit einer Werbung auf einem Bus. „Eine Stadt feiert das Mittelalter. Altena wagt den Zeitsprung und steht vom 5. bis zum 7. August ein Wochenende lang komplett im Zeichen des Mittelalters. Feiern Sie mit und tauchen Sie ein in eine der faszinierendsten Geschichtsepochen.“ So (oder so ähnlich, wer kann ernsthaft Zitate von mir verlangen, wenn ich geistig sowieso nur noch schnelle Todesarten gegeneinander abwäge?) schrie es dem interessierten Bürger in bunten Lettern von diesem Gefährt entgegen. Ich war sofort Feuer und Flamme, denn selber stellte ich mir so einen Rückfall in der Zeit auch ziemlich spannend vor. Schnell war die Idee geboren, so etwas doch auch in Lüdenscheid zu veranstalten, ich steigerte mich richtig in diesen Wahnwitz (späte Erkenntnis, seeeeehr späte Erkenntnis, ZU späte Erkenntnis!) hinein. Wie in einem Rausch sah man mich fortan nur noch telefonieren, planen und organisieren, und tatsächlich hatte ich irgendwann Anfang Juni alle Vorbereitungen abgeschlossen und konnte stolz die ersten Flyer an Haushalte verteilen, mit denen ich auf mein großartiges Fest aufmerksam machen wollte. An dieser Stelle veröffentliche ich mal den Originaltext, damit der Leser sieht, dass die Katastrophe auf keinen Fall an meinem Engagement gelegen haben kann:
„Römer, Germanen, Landsleute,
endlich ist es soweit. Am 30.6.2011 wagt Lüdenscheid den Zeitsprung und steht einen Tag lang ganz im Zeichen des Mittelalters. Bitte beachten Sie auch in diesem Zusammenhang, dass Automobile, Fahrräder und andere zeitfremde Fortbewegungsmittel spätestens bis zum 29.6.2011 aus dem Stadtbild zu entfernen sind oder ab diesem Zeitpunkt in Zusammenarbeit mit der Jupp Fahrkralle GmbH & Co. KG durch den Veranstalter eingezogen werden und ab dem 1.7.2011 von einer noch genauer zu bestimmenden Stelle am Stadtrand gegen Hinterlegung der Abschleppgebühr wieder abgeholt werden können.
Falls Sie von außerhalb anreisen möchten, denken Sie auch unbedingt daran, Ihren Besuch richtig durchzuplanen, ich mache immer wieder die Feststellung, dass Menschen des 21. Jahrhunderts schnell Fußmärsche vom Zeitaufwand unterschätzen, sobald die zu überbrückende Kilometerzahl dreistellig wird. Und bitte geben Sie sich etwas Mühe bei der Zusammenstellung Ihres Proviants, an der Stadtperipherie eingezogene Plastikverpackungen, Tetrapacks und Bestecke, die über ein Jagdmesser und Holzkellen hinausgehen, kann ich unmöglich durchnummerieren und nach dem ausschweifenden Ereignis wieder zur Verfügung stellen. Ehrlich gesagt habe ich bis dato sogar noch klitzekleine Probleme mit den Standflächen für die einheimischen Fahrzeuge, ich möchte da aber wirklich nur die Schrottpresse bemühen, wenn es vom Platz her gar nicht mehr anders geht, unter diesen Umständen sehen Sie sicher ein, dass ich weder Raum noch Zeit für so eine Proviantannahme einplanen kann und diese deshalb direkt geknickt habe.
Wo wir gerade beim Proviant sind: Ich habe im Vorfeld meiner Organisation Anfragen von Vegetariern und Veganern bekommen, ob ihre entsprechende Versorgung bei diesem Event auch sicher gestellt wäre. Hier will ich gar nichts beschönigen und muss deshalb zu Protokoll geben, dass das von den Soja-Ersatzprodukten her eher schlecht aussieht. Der omnivoren Bevölkerung wird völlig zurecht vorgeworfen, dass sie essenstechnisch im Mittelalter evolutionär steckengeblieben ist, diese Tatsache hat aber für mich und andere Veganer natürlich auch entsprechende Konsequenzen bei so einem heiteren Vergangenheitsrücksturz. Der Ruf nach Ethik wurde im Mittelalter höchstens mit „Gesundheit“ beantwortet, dementsprechend konnte der damalige Tierrechtler schon froh sein, wenn die Leiche auf seiner Tonschale tatsächlich tot war und im günstigsten Fall sogar nicht mal mehr blutete. Vegane Essensstände wird man also nicht unbedingt vorfinden, allerdings ist die rohköstliche Versorgung absolut garantiert und stellt sogar den Hauptanteil des kulinarischen Angebots, es muss also niemand hungern.
Zimmerreservierungen werden übrigens nicht angenommen, auch wenn Ihr Bote rechtzeitig eine entsprechende Anfrage überbringt. Aber mir als Veranstalter erscheint es doch zu kompliziert, entsprechende Schreiben zu formulieren und zu versenden. Versetzen Sie sich kurz in meine Lage, Sie müssen nur eine Botschaft verfassen, ich dagegen kann wahrscheinlich Antworten kritzeln, bis mein Federkiel bricht, außerdem will ich mir gar nicht das Tintengeschmiere vorstellen, ganz davon abgesehen habe ich keine Ahnung, wo ich heutzutage noch entsprechend unbehandelten Papierersatz herbekommen soll.
Deshalb gilt bei der Veranstaltung das alte Motto „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, entsprechend werden die 6 zur Verfügung stehenden Zimmer vergeben. Hier möchte ich übrigens kurz einen Dank an meine Verwandtschaft senden, die völlig selbstlos Räume zur Verfügung gestellt hat und somit das Angebot der Übernachtungsmöglichkeiten spontan versechsfacht hat. Für die Leute, die zu spät kommen, stehen aber genug Rasenflächen in Lüdenscheid zur Verfügung, allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass Igluzelte und ähnliche Albernheiten kommentarlos in Hinblick auf das gewünschte Zeitfenster abgerissen und entsorgt werden. Natürlich kann nicht im Einzelnen überprüft werden, ob diese unzeitgenössischen Behausungen beim Abtransport tatsächlich leer sind, machen Sie diesen Umstand bitte unbedingt Ihren Kindern und möglicherweise bettlägerigen Verwandten klar. An dieser Stelle darf ich auf keinen Fall ein dankbares Shout-out an die städtische Entsorgungsgesellschaft vergessen, die im Austausch mit einer Fahrsondergenehmigung sich zu diesen Transporten bereit erklärt hat und mehrere Müllwagen zur Verfügung stellt.
Überhaupt klappt die Zusammenarbeit mit den Behörden absolut reibungslos. Bisher habe ich noch keine einzige negative Reaktion auf die Anschreiben bekommen, mit denen ich persönlich die Lüdenscheider Beamte über ihren Tag Sonderurlaub aufgeklärt habe. Bei diesem Thema möchte ich aber auch eine kleine Warnung aussprechen, auch wenn diese sich vielleicht als voreilig entpuppt: Achten Sie bitte verstärkt auf Ihre Geldbörsen und vermeiden Sie überhaupt illegale Aktivitäten. Ich habe zwar selbstverständlich für einen mittelalterlichen Stadtwächter gesorgt und somit den strafrechtlichen Schutz sichergestellt, allerdings bin ich in Bezug auf diese Person etwas skeptisch, da ihn bei seinem Bewerbungsgespräch nur die Frage „Gibt´s denn was zu Saufen?“ zu beschäftigen schien. Das muss jetzt nichts heißen und ich will auch nicht im Vorfeld mobben, aber behalten Sie diese Information vielleicht einfach mal im Hinterkopf und handeln Sie entsprechend.
Ich verlasse mich übrigens auch darauf, dass nirgendwo ein Feuer ausbricht. Wenn Lüdenscheid bei unserem lustigen Fest komplett abbrennt, können wir den Folgeevent 2012 sicher direkt aus dem Kalender streichen, da reagieren die Stadtväter echt pingelig. Mir ist klar, dass der Umgang mit den Feuersteinen für Sie erstmal gewöhnungsbedürftig ist, aber mit ein bisschen Konzentration müsste wir das doch reibungslos über die Bühne bringen können, oder? Meinem eingestellten Brandschutzmeister sollte man nämlich auch nicht zu blauäugig begegnen, der hat die Anfrage vom Stadtwächter im gleichen Bewerbungsgespräch mit „Klar, gesoffen wurde doch schon immer, das wird geil“ beantwortet.
Einen wichtigen Hinweis habe ich mir noch für den Schluss aufgespart: Bitte verlassen Sie Lüdenscheid nach dem Fest nicht auf dem üblichen Weg, sondern halten Sie sich an die Evakuierungspläne, die ich noch verteilen werde. Das ist wirklich ziemlich wichtig, denn ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und konnte so noch einen tollen Überraschungsgast für den Event auftreiben. Über das Wie möchte ich an dieser Stelle keine Auskunft geben, aber ich konnte tatsächlich aus dem Robert-Koch-Institut einen Erreger der Beulenpest besorgen, den ich bei unserer Mittelalter-Party dann freisetzen werde, um die zeitgenössische Authentizität ins Unendliche zu steigern. Allerdings sollten die Gewinner dieser Lotterie unbedingt vor Ort entsorgt werden, sonst wird aus dem heiteren Spiel schnell bitterer Ernst, so eine weltweite Pest-Epidemie ist nicht annähernd so amüsant wie das im ersten Moment vielleicht klingt.
So, jetzt hoffe ich, dass ich Ihnen richtig Lust auf das Mittelalter gemacht habe. Wenn nicht, würde das ja mit dem Teufel zugehen, da ich die ganzen unangenehmen Dinge wie fehlende Hygieneeinrichtungen, Hexenverbrennungen, Bärenangriffe und andere zwar selbstverständlich für den Tag garantierte, aber doch auf Besucher möglicherweise abschreckend wirkende Attraktionen pfiffig verschwiegen habe. Also: Feiern Sie mit und tauchen Sie ein in eine der faszinierendsten Geschichtsepochen.“
Soweit mein Flyertext und was soll ich heute sagen, wo wir den 30.6.2011 schreiben? ES IST KEIN ARSCH GEKOMMEN!!!!!! Echt super, da tut und macht man, und das ist der Dank für das Engagement. Und warum? Nur weil ich den letzten Satz vom Aufruf des Altenaer Schwesterevents abgeschrieben habe? Ich weiß es nicht, sicher ist nur, dass jetzt die ganzen Spießer aus ihren Löchern gekrochen kommen. Hier steht heute mein Telefon nicht still, übrigens keine Ahnung, warum das noch funktioniert, da muss irgendwas mit dem Computerwurm, den ich extra der Telekom geschickt habe, schief gegangen sein. Praktisch jeder hat was zu meckern. „Haben Sie Wahnsinniger etwa Lüdenscheid durch Kappung der Hauptleitung vom Stromnetz genommen?“, „Haben Sie stellenweise die Strassen eingerissen und durch Lehmwege ersetzt?“ (Übrigens eine unangenehme Frage, denn tatsächlich bin ich da nicht ganz fertig geworden, so dass durchaus noch vereinzelt geteerte Straßen existieren…), immer wieder „Wo ist mein Auto????“, Wähwähwäh, die Leute können echt nur rumnölen. Und Schadensersatzforderung stellen, zusätzlich zu den sowieso immensen Kosten, auf denen ich sitzen geblieben bin.
Sicher, den Pesterreger habe ich heute Mittag einfach in die Toilette gekippt und so entsorgt, aber das war echt der einzige Teil, der glimpflich und ohne weitere Folgen abgegangen ist. Ich bin wirklich verzweifelt, so werden junge Unternehmerexistenzen in Deutschland direkt zu Anfang zerstört. Kommt, Spooky, Sam und Bobby, wir verlassen dieses Land, irgendwas ist hier sowieso nicht in Ordnung, seit ein paar Stunden wirkt mein Umfeld auch körperlich richtig gehend krank. Meine Gesundheit riskiere ich aber hier auf keinen Fall, mehr ist mir ja nach diesem Fiasko nicht geblieben. Also good bye, Germany!
Möglicherweise lesen Sie gerade das letzte Mal von mir. Wenn das jetzt dramatisch klingt, dann habe ich diese Ankündigung nicht richtig formuliert, denn dieses Wort untertreibt meine derzeit mehr als fatale Lage total. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie es weitergehen soll, meine Zukunft ist nicht düster, dieses Dunkel ist viel mehr als die bloße Abwesenheit von Licht. Jetzt hat der Insider am letzten Nebensatz gemerkt, dass ich trotz allem noch meinen Lieblingsautoren zitieren kann, aber das ist wirklich der pure Galgenhumor, basierend auf reiner Verzweifelung. Aber lassen Sie mich etwas ausholen, damit Sie meine hoffnungslose Situation verstehen und vielleicht auch meine Selbstmordgedanken besser nachvollziehen können.
Angefangen hat alles mit einer Werbung auf einem Bus. „Eine Stadt feiert das Mittelalter. Altena wagt den Zeitsprung und steht vom 5. bis zum 7. August ein Wochenende lang komplett im Zeichen des Mittelalters. Feiern Sie mit und tauchen Sie ein in eine der faszinierendsten Geschichtsepochen.“ So (oder so ähnlich, wer kann ernsthaft Zitate von mir verlangen, wenn ich geistig sowieso nur noch schnelle Todesarten gegeneinander abwäge?) schrie es dem interessierten Bürger in bunten Lettern von diesem Gefährt entgegen. Ich war sofort Feuer und Flamme, denn selber stellte ich mir so einen Rückfall in der Zeit auch ziemlich spannend vor. Schnell war die Idee geboren, so etwas doch auch in Lüdenscheid zu veranstalten, ich steigerte mich richtig in diesen Wahnwitz (späte Erkenntnis, seeeeehr späte Erkenntnis, ZU späte Erkenntnis!) hinein. Wie in einem Rausch sah man mich fortan nur noch telefonieren, planen und organisieren, und tatsächlich hatte ich irgendwann Anfang Juni alle Vorbereitungen abgeschlossen und konnte stolz die ersten Flyer an Haushalte verteilen, mit denen ich auf mein großartiges Fest aufmerksam machen wollte. An dieser Stelle veröffentliche ich mal den Originaltext, damit der Leser sieht, dass die Katastrophe auf keinen Fall an meinem Engagement gelegen haben kann:
„Römer, Germanen, Landsleute,
endlich ist es soweit. Am 30.6.2011 wagt Lüdenscheid den Zeitsprung und steht einen Tag lang ganz im Zeichen des Mittelalters. Bitte beachten Sie auch in diesem Zusammenhang, dass Automobile, Fahrräder und andere zeitfremde Fortbewegungsmittel spätestens bis zum 29.6.2011 aus dem Stadtbild zu entfernen sind oder ab diesem Zeitpunkt in Zusammenarbeit mit der Jupp Fahrkralle GmbH & Co. KG durch den Veranstalter eingezogen werden und ab dem 1.7.2011 von einer noch genauer zu bestimmenden Stelle am Stadtrand gegen Hinterlegung der Abschleppgebühr wieder abgeholt werden können.
Falls Sie von außerhalb anreisen möchten, denken Sie auch unbedingt daran, Ihren Besuch richtig durchzuplanen, ich mache immer wieder die Feststellung, dass Menschen des 21. Jahrhunderts schnell Fußmärsche vom Zeitaufwand unterschätzen, sobald die zu überbrückende Kilometerzahl dreistellig wird. Und bitte geben Sie sich etwas Mühe bei der Zusammenstellung Ihres Proviants, an der Stadtperipherie eingezogene Plastikverpackungen, Tetrapacks und Bestecke, die über ein Jagdmesser und Holzkellen hinausgehen, kann ich unmöglich durchnummerieren und nach dem ausschweifenden Ereignis wieder zur Verfügung stellen. Ehrlich gesagt habe ich bis dato sogar noch klitzekleine Probleme mit den Standflächen für die einheimischen Fahrzeuge, ich möchte da aber wirklich nur die Schrottpresse bemühen, wenn es vom Platz her gar nicht mehr anders geht, unter diesen Umständen sehen Sie sicher ein, dass ich weder Raum noch Zeit für so eine Proviantannahme einplanen kann und diese deshalb direkt geknickt habe.
Wo wir gerade beim Proviant sind: Ich habe im Vorfeld meiner Organisation Anfragen von Vegetariern und Veganern bekommen, ob ihre entsprechende Versorgung bei diesem Event auch sicher gestellt wäre. Hier will ich gar nichts beschönigen und muss deshalb zu Protokoll geben, dass das von den Soja-Ersatzprodukten her eher schlecht aussieht. Der omnivoren Bevölkerung wird völlig zurecht vorgeworfen, dass sie essenstechnisch im Mittelalter evolutionär steckengeblieben ist, diese Tatsache hat aber für mich und andere Veganer natürlich auch entsprechende Konsequenzen bei so einem heiteren Vergangenheitsrücksturz. Der Ruf nach Ethik wurde im Mittelalter höchstens mit „Gesundheit“ beantwortet, dementsprechend konnte der damalige Tierrechtler schon froh sein, wenn die Leiche auf seiner Tonschale tatsächlich tot war und im günstigsten Fall sogar nicht mal mehr blutete. Vegane Essensstände wird man also nicht unbedingt vorfinden, allerdings ist die rohköstliche Versorgung absolut garantiert und stellt sogar den Hauptanteil des kulinarischen Angebots, es muss also niemand hungern.
Zimmerreservierungen werden übrigens nicht angenommen, auch wenn Ihr Bote rechtzeitig eine entsprechende Anfrage überbringt. Aber mir als Veranstalter erscheint es doch zu kompliziert, entsprechende Schreiben zu formulieren und zu versenden. Versetzen Sie sich kurz in meine Lage, Sie müssen nur eine Botschaft verfassen, ich dagegen kann wahrscheinlich Antworten kritzeln, bis mein Federkiel bricht, außerdem will ich mir gar nicht das Tintengeschmiere vorstellen, ganz davon abgesehen habe ich keine Ahnung, wo ich heutzutage noch entsprechend unbehandelten Papierersatz herbekommen soll.
Deshalb gilt bei der Veranstaltung das alte Motto „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, entsprechend werden die 6 zur Verfügung stehenden Zimmer vergeben. Hier möchte ich übrigens kurz einen Dank an meine Verwandtschaft senden, die völlig selbstlos Räume zur Verfügung gestellt hat und somit das Angebot der Übernachtungsmöglichkeiten spontan versechsfacht hat. Für die Leute, die zu spät kommen, stehen aber genug Rasenflächen in Lüdenscheid zur Verfügung, allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass Igluzelte und ähnliche Albernheiten kommentarlos in Hinblick auf das gewünschte Zeitfenster abgerissen und entsorgt werden. Natürlich kann nicht im Einzelnen überprüft werden, ob diese unzeitgenössischen Behausungen beim Abtransport tatsächlich leer sind, machen Sie diesen Umstand bitte unbedingt Ihren Kindern und möglicherweise bettlägerigen Verwandten klar. An dieser Stelle darf ich auf keinen Fall ein dankbares Shout-out an die städtische Entsorgungsgesellschaft vergessen, die im Austausch mit einer Fahrsondergenehmigung sich zu diesen Transporten bereit erklärt hat und mehrere Müllwagen zur Verfügung stellt.
Überhaupt klappt die Zusammenarbeit mit den Behörden absolut reibungslos. Bisher habe ich noch keine einzige negative Reaktion auf die Anschreiben bekommen, mit denen ich persönlich die Lüdenscheider Beamte über ihren Tag Sonderurlaub aufgeklärt habe. Bei diesem Thema möchte ich aber auch eine kleine Warnung aussprechen, auch wenn diese sich vielleicht als voreilig entpuppt: Achten Sie bitte verstärkt auf Ihre Geldbörsen und vermeiden Sie überhaupt illegale Aktivitäten. Ich habe zwar selbstverständlich für einen mittelalterlichen Stadtwächter gesorgt und somit den strafrechtlichen Schutz sichergestellt, allerdings bin ich in Bezug auf diese Person etwas skeptisch, da ihn bei seinem Bewerbungsgespräch nur die Frage „Gibt´s denn was zu Saufen?“ zu beschäftigen schien. Das muss jetzt nichts heißen und ich will auch nicht im Vorfeld mobben, aber behalten Sie diese Information vielleicht einfach mal im Hinterkopf und handeln Sie entsprechend.
Ich verlasse mich übrigens auch darauf, dass nirgendwo ein Feuer ausbricht. Wenn Lüdenscheid bei unserem lustigen Fest komplett abbrennt, können wir den Folgeevent 2012 sicher direkt aus dem Kalender streichen, da reagieren die Stadtväter echt pingelig. Mir ist klar, dass der Umgang mit den Feuersteinen für Sie erstmal gewöhnungsbedürftig ist, aber mit ein bisschen Konzentration müsste wir das doch reibungslos über die Bühne bringen können, oder? Meinem eingestellten Brandschutzmeister sollte man nämlich auch nicht zu blauäugig begegnen, der hat die Anfrage vom Stadtwächter im gleichen Bewerbungsgespräch mit „Klar, gesoffen wurde doch schon immer, das wird geil“ beantwortet.
Einen wichtigen Hinweis habe ich mir noch für den Schluss aufgespart: Bitte verlassen Sie Lüdenscheid nach dem Fest nicht auf dem üblichen Weg, sondern halten Sie sich an die Evakuierungspläne, die ich noch verteilen werde. Das ist wirklich ziemlich wichtig, denn ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und konnte so noch einen tollen Überraschungsgast für den Event auftreiben. Über das Wie möchte ich an dieser Stelle keine Auskunft geben, aber ich konnte tatsächlich aus dem Robert-Koch-Institut einen Erreger der Beulenpest besorgen, den ich bei unserer Mittelalter-Party dann freisetzen werde, um die zeitgenössische Authentizität ins Unendliche zu steigern. Allerdings sollten die Gewinner dieser Lotterie unbedingt vor Ort entsorgt werden, sonst wird aus dem heiteren Spiel schnell bitterer Ernst, so eine weltweite Pest-Epidemie ist nicht annähernd so amüsant wie das im ersten Moment vielleicht klingt.
So, jetzt hoffe ich, dass ich Ihnen richtig Lust auf das Mittelalter gemacht habe. Wenn nicht, würde das ja mit dem Teufel zugehen, da ich die ganzen unangenehmen Dinge wie fehlende Hygieneeinrichtungen, Hexenverbrennungen, Bärenangriffe und andere zwar selbstverständlich für den Tag garantierte, aber doch auf Besucher möglicherweise abschreckend wirkende Attraktionen pfiffig verschwiegen habe. Also: Feiern Sie mit und tauchen Sie ein in eine der faszinierendsten Geschichtsepochen.“
Soweit mein Flyertext und was soll ich heute sagen, wo wir den 30.6.2011 schreiben? ES IST KEIN ARSCH GEKOMMEN!!!!!! Echt super, da tut und macht man, und das ist der Dank für das Engagement. Und warum? Nur weil ich den letzten Satz vom Aufruf des Altenaer Schwesterevents abgeschrieben habe? Ich weiß es nicht, sicher ist nur, dass jetzt die ganzen Spießer aus ihren Löchern gekrochen kommen. Hier steht heute mein Telefon nicht still, übrigens keine Ahnung, warum das noch funktioniert, da muss irgendwas mit dem Computerwurm, den ich extra der Telekom geschickt habe, schief gegangen sein. Praktisch jeder hat was zu meckern. „Haben Sie Wahnsinniger etwa Lüdenscheid durch Kappung der Hauptleitung vom Stromnetz genommen?“, „Haben Sie stellenweise die Strassen eingerissen und durch Lehmwege ersetzt?“ (Übrigens eine unangenehme Frage, denn tatsächlich bin ich da nicht ganz fertig geworden, so dass durchaus noch vereinzelt geteerte Straßen existieren…), immer wieder „Wo ist mein Auto????“, Wähwähwäh, die Leute können echt nur rumnölen. Und Schadensersatzforderung stellen, zusätzlich zu den sowieso immensen Kosten, auf denen ich sitzen geblieben bin.
Sicher, den Pesterreger habe ich heute Mittag einfach in die Toilette gekippt und so entsorgt, aber das war echt der einzige Teil, der glimpflich und ohne weitere Folgen abgegangen ist. Ich bin wirklich verzweifelt, so werden junge Unternehmerexistenzen in Deutschland direkt zu Anfang zerstört. Kommt, Spooky, Sam und Bobby, wir verlassen dieses Land, irgendwas ist hier sowieso nicht in Ordnung, seit ein paar Stunden wirkt mein Umfeld auch körperlich richtig gehend krank. Meine Gesundheit riskiere ich aber hier auf keinen Fall, mehr ist mir ja nach diesem Fiasko nicht geblieben. Also good bye, Germany!